„Das schönste Bild, das ich mir vorstellen kann“

 20 Jahre lang hat Lucian Freud kein Fernsehinterview mehr gegeben. Jetzt brach er sein Schweigen. Monopol dokumentiert seine Ode an Tizian.

Lucian Freud malt meist Porträts, oft auch Selbstporträts – doch fotografieren lassen mag er sich nicht. Sogar bei einem Gruppenfoto mit der Queen verdeckte er sein Gesicht mit der linken Hand, seiner Malhand. Nun aber hat sich Freud vor eine Kamera gewagt. Der 86-Jährige sprach mit einem Reporter eines britischen Fernsehsenders über seine Liebe zu Tizians Gemälde „Diana und Aktaion“, das für ihn das schönste Bild sei, das er sich vorstellen könne.
Der achtminütige Beitrag kam im Rahmen einer Kampagne der National Galleries of Scotland und der National Gallery in London zustande, die für den Verbleib dieses und eines anderen Tizian-Gemäldes kämpfen. Die Bilder gehören dem Herzog von Sutherland. Bislang hatte er sie den Nationalgalerien als Leihgaben überlassen, jetzt möchte er den Institutionen die Arbeiten für 100 Millionen Pfund verkaufen.
So fand sich also das exklusive Gespräch auf der Homepage der Londoner National Gallery wieder. Mit schiefem Lächeln im Gesicht erträgt der Fernsehmann, wie der Maler ihm und seinen knappen Stichworten widerspricht. „Die Farben, eine beeindru­ckende, reiche Palette ...“ – „Ich weiß nicht“, sagt darauf Lucian Freud. „Wenn Farben funk­tionieren, dann sehe ich sie als Farben des Lebens und nicht als ‚Farbigkeit‘.“ Malte Tizian hier alle weiblichen Figuren nach einem einzigen Modell? Kann sein, „aber es kümmert mich eigentlich nicht, wie ein Bild hergestellt wurde“, sagt Freud mit leiser, warmer Stimme. „Ich denke eher daran, welchen Effekt es auf mich hat.“ Und er führt seine Rezeptionsästhetik weiter aus: „Bei wirklich überzeugenden Bildern kann man sich nicht vorstellen, wie die jemals gemalt worden sind. Sie überzeugen in einer Weise, dass man denkt: Dieses Bild muss es schon immer gegeben haben.“
„Diana und Aktaion“ sei so stark, weil der Betrachter durch die Figur des Aktaion mit ins Bild genommen werde. Freud fühle sich selbst wie der Jäger, der auf dem Gemälde die nackte Göttin Diana und ihre Nymphen überrascht. Daniel Völzke

Im Internet: www.nationalgallery.org.uk/campaign-titians/exhibition.htm