Annette Wehrmann in der Kunsthalle Hamburg

Die Neinsagerin

Die ruckeligen Bilder wirken wie aus grauer Vorzeit. Auf dem Boden eines großen, leeren Atelierraums liegen sieben schwere Steinkugeln. Aus der Tiefe des Raumes taucht eine kräftig gebaute Frau auf, die versucht, mit den Kugeln Fußball zu spielen. Ein mühseliges Unterfangen, denn die steinernen Bälle bewegen sich immer nur ein winziges Stück weiter.

Dieses rund 40-minütige Performancevideo mit Annette Wehrmann, präsentiert auf einem kleinen Monitor, markiert den Auftakt zur Ausstellung „Annette Wehrmann: Gehirn und Geld“ in der Hamburger Galerie der Gegenwart. Und es macht eines sofort klar: Die Hamburger Künstlerin Annette Wehrmann, die im Mai 2010 im Alter von nur 48 Jahren verstorben ist, hat es sich nie leicht gemacht. Mit ihren Skulpturen, Zeichnungen, Collagen, Fotografien, Texten und Interventionen im öffentlichen Raum thematisierte sie gesellschafts-politische Missstände, städtebauliche Fehlentwicklungen, aber auch ein Stück weit ihre eigene prekäre Situation als nicht eben vom Markt umarmte, aktivistisch agierende Künstlerin, die permanent um ihr ökonomisches Überleben kämpfen musste.

Gleich nach dem Studium machte Wehrmann 1993 mit einer Reihe von „Sprengungen“ auf sich aufmerksam. Das Ziel dieser kleinen, eher ironischen als wirklich gefährlichen Anschläge waren städtische Blumenkästen aus Waschbeton. Für Wehrmann Symbole staatlicher Überreglementierung.

Zustandegekommen ist die Schau anlässlich der Verleihung des mit 7.500 Euro dotierten Edwin-Scharff-Preises 2012, die aus formalen Gründen nicht postum an Annette Wehrmann selbst, sondern an den nach ihrem Tod von Künstlerkollegen und Freunden gegründeten Verein „Ort des Gegen e.V.“ erfolgte. Ohne das Engagement des Vereins wäre die Aufarbeitung ihres künstlerischen Nachlasses wohl unterblieben. Kuratorin Brigitte Kölle hat die Ausstellung daher auch gemeinsam mit den Mitgliedern des Vereins eingerichtet. Eine größere Werkgruppe inklusive der gemauerten Fußbälle wurde zudem für die Sammlung der Kunsthalle erworben.

Beim Rundgang durch die Schau wird gerade auf den zahlreichen Zeichnungen deutlich, dass Wehrmann gesellschaftlichen Defiziten nicht mit eindimensionaler Agit-Prop-Kunst sondern mit utopisch-ironischen, mal feministischen, mal fantastischen Gegenentwürfen begegnete.  Die von den Situationisten beeinflusste Wehrmann hat sich, wohlgemerkt mit künstlerischen Mitteln, immer gegen die zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raumes gewehrt. So inszenierte sie im Rahmen der Skulptur Projekte Münster 2007 ihre wohl größte Arbeit, eine fiktive Baustelle am Aasee, die, ausgestattet mit Bauzäunen, Hinweistafeln und hin- und herrollenden Baggern, die Errichtung eines exklusiven Wellnesstempels simulierte und Anwohner und Spaziergänger kräftig verunsicherte. 

Annette Wehrmann, Hamburger Kunsthalle, bis 3. März 2013