Art Basel/Miami Beach 2012

How to Basel

Norman Braman ist ein Mensch von außergewöhnlicher Bescheidenheit, aber natürlich findet er in seiner Eröffnungsrede am Previewtag der Art Basel Miami Beach nur Worte des Lobs. Der Sammler und Vorsitzende des Auswahlkomitees erinnert daran, dass vor Gründung der Messe kein Dutzend Galerien vor Ort waren, heute aber rund 180. Private Sammlungen wie die der Rubells oder die de la Cruz-Collection seien entstanden, auch die Museen professionalisierten sich. Kurzum: Man hat die Messe, die 2002 startete, international etabliert und gleichzeitig für die „community“ vor Ort viel getan. Was Braman nicht erwähnt: Die Schweizer Messe hat den Amerikanern, oder zumindest einigen Kreisen in Florida, auch ein neues Wort geschenkt, das Verb to Basel. So sind Sätze wie „You only Basel once in a lifetime“ oder „I am so much looking forward to Baseling“ durchaus gebräuchlich, wenn auch ihr genauer Sinn etwas unklar bleibt.

Das hat auch damit zu tun, dass sich die Messe lange schon von dem Aufgespritze-Lippen-Klischee verabschiedet hat. Am Morgen des Previewtages ziehen der Dior-Designer Kris van Assche und Schauspieler Owen Wilson diskret durch die Gänge, der Bodyguard des Musikers P. Diddy ringt beim Versuch, seinem Chef den Weg zu bahnen, versehentlich eine zarte Galeriemitarbeiterin nieder – das ist dann aber auch schon der größte Aufreger. Insgesamt ist der Tag, auch dank einer stark reduzierten Anzahl an VIP-Pässen, frei von Hysterie, für die Präsentationen der meisten Messestände gilt dasselbe.

Die New Yorker Sammler Susan und Michael Hort erwerben am Stand von Contemporary Fine Arts vier Bilder von Markus Bacher (die Preise liegen bei 12.000 - 28.000 US-Dollar), die Berliner Galerie setzt in diesem Jahr ausschließlich auf Malerei. Dass es weniger auf die sagenumwobenen ersten Minuten einer Messe ankommt als auf vertrauensvolle Verhältnisse, zeigt sich am Stand von Max Hetzler. Der Galerist verkauft zum Auftakt ein neueres Gemälde von Albert Oehlen, es geht für 180.000 Euro an einen französischen Privatsammler. Wenige Meter weiter bietet auch die New Yorker Galerie Luhring Augustine ein Oehlen-Gemälde an, allerdings handelt es sich um einen Wiederverkauf eines Werks aus den frühen 90er-Jahren: Auch dieses Bild findet einen Käufer, der Preis allerdings liegt bei stolzen 1,5 Millionen Dollar.

Zu den Spitzenverkäufen des ersten Tages zählen auch das Georg-Baselitz-Gemälde "Keine Zukunft, keine Zeit", 2010 (White Cube Gallery), das für 500.000 Dollar verkauft wird, während bei Sprüth Magers eine Arbeit von John Baldessari für 350.000 Dollar den Besitzer wechselt. Verkäufe in dieser Preislage sind eher die Ausnahme, insgesamt geht es doch auffallend ruhig zu. Judy Lybke von Eigen & Art hat zwei frühe Gemälde von Neo Rauch mitgebracht, die am ersten Tag noch keinen Abnehmer gefunden haben; er sei insgesamt mit den Verkäufen (darunter zwei Bilder von Uwe Kowski) zufrieden, „aber es ist noch Luft nach oben." Der Druck, sich sofort entscheiden zu müssen, sei nicht mehr so stark wie in früheren Jahren, berichtet die Mitarbeiterin einer Londoner Galerie.

Den Eindruck bestätigt auch Jürgen Meyer von Meyer Riegger. „Die Sammler hier nehmen sich Zeit, viele kommen zwei oder drei Mal zurück an den Stand. Das Gute an Miami ist, dass hier wenig Abwechslung herrscht. In London oder Paris mit ihren Museen und Galerien herrscht eine andere Hektik.“ Der Galerist hat seine Koje in einen Bereich mit arrivierteren Positionen und einen mit jungen Positionen unterteilt, etwa Malerei des Deutsch-Russen Waldemar Zimbelmann. Doch nicht überall herrscht der Mut zum Experimentieren, im Gegenteil: Auf die Unsicherheiten des Marktes reagieren viele Händler mit äußerst braven Auftritten, viele Kojen sind dicht bestückt, oft mit einem etwas lieblosen Querschnitt des Galerieprogramms.
 
Im Bereich der Art Positions, wo Einzelpräsentationen gezeigt werden, fällt die Galerie Casas Riegner aus Bogotá mit einer Installation der jungen Kolumbianerin Leyla Cardenas auf, ein Stück weiter zeigt RaebervonStenglin den Briten Ivan Seal. Der erzählt gut gelaunt, wie seine Mutter ihm als 14-Jährigen einen weißen Anzug geschenkt habe, da er in diesem Miami-Look die Mädchen im heimatlichen grauen Manchester beeindrucken wollte, und wie aus der Erinnerung an dieses Stück dann über einige wirklich sehr gelungene Wendungen seine Serie kleinformatiger Malerei entstand, die jetzt am Messestand zu sehen ist.

Für die jungen Zürcher Galeristen ist die Teilnahme in Miami eine Premiere. „Wir haben uns für Ivan Seal entschieden, als er uns die Geschichte mit dem Anzug erzählt hat“, erklärt Matthias von Stenglin, „auch weil die Arbeit einen besonderen Bezug zu Miami hat.“ Die Resonanz sei großartig, einige der Bilder (die Preise liegen bei 4.500 bis 7.000 Dollar) waren bereits am ersten Tag verkauft.

Zum Klischee wird die Messe erst später am Nachmittag, als die Einlasskontrollen etwas weniger rigide sind, die Absätze höher und die Geräusche schriller werden. Ansonsten scheint zutreffend, was Jürgen Meyer sagte: „Die Art Basel Miami Beach ist, wie die Frieze in London oder die FIAC in Paris, eine internationale Messe mit leichtem regionalem Einschlag.“   

Art Basel/Miami Beach, noch bis 9. Dezember 2012