Berlin Art Week

10 Galerie-Ausstellungen, die man nicht verpassen sollte

VeneKlasen Werner: Gianni Piacentino. "Works 1965-2014"
Man kennt die Liebe der Italiener zu schnellen Autos, man kennt auch die delirierenden Geschwindigkeitsräusche der Futuristen. Was aber noch fehlte, war Gianni Piacentino, den man jetzt bei VeneKlasen Werner kennenlernen kann: Erst im Arte Povera Umfeld, hat der 1945 geborene Turiner dann ganz für sich sein Werk geschaffen, das der Perfektion einer schön lackierten Autokarosserie nacheifert. Seine minimalistischen frühen Skulpturen haben die seltsamsten Farbtöne, die späteren Skulpturen aus Rädern und Propellern sind pure Eleganz. (eb)
VeneKlasen Werner Berlin, bis 8. November

Neugerriemschneider: Rirkrit Tiravanija "Time travelers Chronicle /doubt): 2014 – 802, 701 a.d.
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Sprechen wir nicht über Ai Weiwei, der die Haupträume bei Neugerriemschneider möbliert, sprechen wir lieber über Rirkrit Tiravanija, der in einem weiteren Raum mit wunderschönen Papierarbeiten überrascht, die bei einem längeren Aufenthalt am Singapore Tyler Print Institute entstanden sind. Bei diesen Experten für Druckgraphik hat die verschiedensten Techniken ausprobiert und zeigt mal auf fast skulptural dickem, mal unglaublich zarten Papieren silberfarbene Kreisformen, die eine utopischen Reise durch die Zeit heraufbeschwören: Die Erde, die Sonne, der Lebenskreis, Zeittunnel und evolutionäre Zyklen, alles kann man sich unter diesen schimmernden Formen vorstellen. Einer der Papierkreise dreht sich sogar langsam tickend wie eine Uhr. (eb)
Neugerriemschneider, bis 4. Oktober

Capitain Petzel: "Martin Kippenberger: Window Shopping", "Elfie Semotan: Flowers"
Man weiß ja, dass Martin Kippenberger zwar ein großartiger Künstler, seine Malerei aber von durchaus schwankender Qualität war (sorry, Kalauer). In dieser Ausstellung kann man das noch mal wunderbar sehen. Kippenbergers Ehefrau Elfie Semotan hatte 1996 einige sehr gute Modefotografien gemacht – Kippenberger im Abendkleid von Issey Miyake, Kippenberger im Mantel über Boxershorts mit einem kleinen Mädchen an seiner Seite – und einige mittelgute: Frauen in gemusterten Kleidern vor gemusterten Tapeten oder Teppichen. Und Kippenberger hatte daraus einige mittelgute Bilder – das Selbstporträt im Abendkleid – und einige schlechte Gemälde gemacht, sie gehören zu den letzten Werken, die er vollendete (die Frau vor der Blümchentapete, ein einziger Malmatsch). Bei Capitain Petzel kann man jetzt erstmals die beiden Serien zusammen sehen, und sich den lustig-fiesen Kommentar selbst denken, den der Künstler wahrscheinlich dazu gemacht hätte. (eb)
Capitain Petzel, bis 25. Oktober

Kraupa-Tuskany Zeidler: "Guan Xiao: Something Happened Like Never Happened
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Der Pförtner im "BerlinerZeitung"-Haus hatte am Mittwoch wieder seinen großen Abend: "Vierte Etage, dann links!" In dem schnöden Büroflur versteckte sich dann das neue, junge, schöne, längst nicht mehr deutsch sprechende Berlin. Die Kunst dazu von Guan Xiao wirkte überraschend naiv. Bunte Skulpturen, damit man was zu Verkaufen hat, dazu Videos, die Begriffe mit ahistorisch zusammencollagierten Bildern erklären: Aktion ist, wenn sich was bewegt, und so. Man müsse in der heutigen Bilderflut seinen Standpunkt finden, erklärt der Künstler. Dass auf diesem Standpunkt schon ein paar andere Leute rumgestanden haben, kann er ja nicht wissen. (eb)
Kraupa-Tuskany Zeidler, bis 21. September

Galerie Peres: "Mike Bouchet: Power Lunch"
Die Leuchtschrift "Bad Couture" strahlt über dem Schaufenster eines Badausstatters der Karl-Marx-Allee in den Abend, eigentlich schon der perfekte Ausstellungstitel für eine Mike-Bouchet-Show. Man muss es nur englisch aussprechen. Bouchet zeigt ein paar Häuser weiter in der Galerie Peres zwei seiner neuen Jacuzzis (bei Bad Couture würde man "Whirlpool" sagen). Bouchet, der 1970 in Kalifornien geboren wurde und in Frankfurt am Main lebt, macht sie aus Wellpappe, lackiert sie und schreibt sie dann Prominenten zu – von den Olsen-Twins bis zu Henry Kissinger. Bisher selten gezeigt sind seine Gemälde von Filmpostern: Dazu verschneidet er zwei Plakate miteinander, indem er sie grob in Vierecke aufrastert und die beiden Motive abwechselnd auf die Felder verteilt. Dann lässt er sie fotorealistisch abmalen. Zerstückelt kommen jetzt Comicfiguren und Sexszenen, Roboter und Einhörner in Dialog, was toll aussieht, wie ein verdrehter Rubik’s Cube mit Jeff Koons-Gemälden, witzig und attraktiv zugleich. Wie immer bei Bouchet: Viel zu clever, um die Hollywood- und Celebrity-Strategien bloß in der Kunst weiter auszubauen. Und gleichzeitig zu fasziniert davon und kenntnisreich bis ins Detail, um einfach nur eine satirische Pointe daraus zu machen. (sh)
Peres Projects, bis 1. November

Galerie Neu: "Marc Camille Chaimowicz: Forty and Forty…,"
40 Kanarienvögel im White Cube, 40 in der italienischen Manufaktur Bottega Gatti gefertigte Keramikvasen an den Wänden, und vor dem Eingang ein zarter Schleier aus Vorhängen: Marc Camille Chaimowicz legt mit seiner Installation in der Galerie Neu einen alternativen Lebensentwurf vor (der Künstler lebt selbst mit Vögeln zusammen), in dem neben Tieren und Handwerkskunst auch die Arbeiten seiner Kollegen Klara Liden und Manfred Pernice Platz finden. Eine wunderbar poetische Geste, ganz im Kontrast zum Vernissage-Geschnatter. (sf)
Galerie Neu, bis 1. November

Meyer Riegger: "Robert Janitz: Oriental Lumber2
Der Maler Robert Janitz ist Mitte 50 und kämpft seit drei Jahrzehnten mit dem Bildermachen. Zunächst in Frankfurt, später in Paris, dann in New York, überall gleichermaßen erfolglos. Seit einigen Monaten ist seine Malerei sehr gefragt, und so zeigt Meyer Riegger jetzt die erste Einzelausstellung von Robert Janitz in Deutschland: großformatige Bilder in schwarzen, blauen, erd-farbenen Grundierungen, auf denen sich in groben Bahnen massige Wachsschichten verteilen. Und kleinere Porträts, die uns den Rücken zuwenden. Malerei im Selbstgespräch. (sf)
Meyer Riegger, bis 25. Oktober

Johann König: Helen Marten: Orchids, or a hemispherical bottom
Helen Marten schickt uns auf eine surreale Reise. Ausgangspunkt ist ein Animationsfilm, in dem eine Parade unwahrscheinlicher Objekte vorbeizieht, die ständig Gestalt und Bedeutung verändern, weder Form noch Funktion folgen. Der Tintenfisch will ein Elefant sein, die Giraffe rollt auf Rädern, eine Orchidee ist zwischen eine Popo geklemmt. Zweidimensionales strebt nach mehr und verlässt ganz frech den Film, marschiert über ein Treppengeländer in den Raum, wird zum Modell und zur Skulptur: Kurze Zwischenpause als Kunstobjekt, bis die Reise weitergeht. (sf)
Johann König, bis 1. November

Ingo Mittelstaedt bei Koal
Superpreiskracher in der Galerie Koal! In seiner neuesten Serie hat sich der Künstler Ingo Mittelstaedt der Werbezettel angenommen, wie sie massenhaft in unseren Briefkästen landen – und die wir massenhaft ignorieren. „Gute Freunde. Für alle. Nur im Kaufland“, steht auf einem Zettel, darunter abgebildet Spirituosen. Wie eine Bebilderung der Lassie-Singer-Hymne auf den harten Stoff: „Unsre besten Freunde heißenb Johnny, Jim und Jack …“ Mittelstaedt inszeniert die Blätter im Fotostudio, so dass auf seinen Fotografien größter Stilwille auf nachlässigste Gestaltung trifft. Als Betrachter muss man jetzt entscheiden, ob der Künstler – den man bislang als Schöpfer großer Schönheit kannte – hier tatsächlich ironisch sein will und ob sich in diesen neuen Bildern eine romantische Sehnsucht nach dem Wilden, nach fremden Welten ausdrückt. (dv)
Galerie Koal, bis 15. November
 

Timm Ulrichs und Cevdet Erek in der Wentrup Galerie
Timm Ulrichs, der Schlaumeier! Bildnerische Aphorismen und Witze des 74-Jährigen zeigt die Galerie Wentrup. Gut für Journalisten: Ulrichs Arbeiten haben meistens eine Pointe und lassen sich deshalb leicht nacherzählen. Er zerdeppert zum Beispiel einen Blumentopf und rekonstruiert aus den einzelnen Scherben so viele Blumentöpfe, wie es Scherben gibt. In dieser von Nico Anklam kuratierten Schau fügen sich die Gags zu einer runden Sache: Splitter, Scherben und Fragmente sind Sinnbilder für eine aus den Fugen geratene Welt. Im Nachbarraum stellt der türkische Künstler Cevdet Erek aus: drei Werke, die auf geschickte Weise Zeit visualisieren, als Lichtarbeit, als Baumringlineal und als Tag-Nacht-Lineal. Hier funktionieren die Ordnungssysteme noch. (dv)
Wentrup Gallery, bis 18. Oktober

Weitere Eröffnungstermine für die Berlin Art Week finden Sie in unserem Vernissage-Kalender