Kunstmesse Expo Chicago

Vornehme Zurückhaltung

Chicago liegt am Wasser, auch wenn der weite Horizont des Lake Michigan so gar nicht zum gängigen Großstadtdschungel-Klischee passt. Ein Chicago jenseits von Verruchtheit und Gangstermythen lernt man während der Kunstmesse Expo Chicago kennen. Wohl nicht zufällig hat Tony Karman, der die Messe seit 2012 leitet, sie wieder an ihren Ursprungsort im See zurückgebracht: zum historischen Navy Pier. "Er ist unser 'Grand Palais'", sagt Karman, der 1983 als Security-Mitarbeiter der damaligen Art Chicago angefangen hatte. Nach schwierigen Zeiten war Karman vor zwei Jahren ein Neustart gelungen, mit dem er an die ruhmreichen 80er- und frühen 90er-Jahre immerhin ansatzweise anknüpfen konnte.
 
Aufbruchstimmung herrscht in den Stahlgerüsthallen am Navy Pier. 140 Galerien aus 17 Ländern und 43 Städten stellen bei der auf zeitgenössische und moderne Kunst fokussierten Expo Chicago aus, darunter Global Player wie Marianne Boesky, Massimo De Carlo, Matthew Marks, Marlborough Gallery und David Zwirner. Da wollte sich die Lisson Gallery (London/New York) nicht lumpen lassen und ist nun zum ersten Mal dabei. Die einzigartige Zusammenarbeit der städtischen Kunstinstitutionen und der Messe bedingt die besondere Anziehungskraft der Unternehmung. Die Expo Chicago wird von einem zugkräftigen Museumsprogramm flankiert: mit der einzigen US-Station von "David Bowie Is", Soloschauen von Simon Starling oder Wangechi Mutu sowie Performances von Rashid Johnson. Zudem organisieren die Chicagoer Galerien ein gemeinsames Wochenende.
 
Von der Synergie hat sich auch Isabella Bortolozzi anstecken lassen. "2013 ist es sehr gut gelaufen", sagt sie und ist nun im zweiten Jahr dabei. Die Galeristin mit Häusern in Berlin und London zeigt in Chicago Arbeiten von Carol Rama, Leonor Antunes oder Harald Thys und Jos de Gruyter. Die düsteren Fotos eines Fregatten-Modells von dem belgischen Künstlerduo lockten am Donnerstagmorgen die Basketball-Legende Magic Johnson in Bortolozzis Koje. "Er hat lange vor den Bildern gestanden, mochte sie anscheinend sehr", freut sich die Galeristin.
 
Jungen Galerien, die seit 10 oder weniger Jahren auf dem Markt sind, ist die Sektion "Exposure" vorbehalten. In diesen Kojen werden maximal zwei Künstler vorgestellt, um Kuratoren oder Sammlern eine konzentrierte Draufsicht auf die junge Szene zu ermöglichen. Bourouina aus Berlin präsentiert dort Werke von Markus Draper aus dem Zyklus "Paraden – ticker tape". Und die Düsseldorfer Galerie Van Horn, zum dritten Mal dabei, zeigt Reliefs von Jan Albers und zeichnerische Arbeiten von José Lerma. Galeristin Daniela Steinfeld schätzt die Sammler in Chicago, "die ich als interessiert und seriös kennengelernt habe".
 
Vornehme Zurückhaltung prägt die Expo insgesamt. Die von der Architektin Jeanne Gang konzipierte Struktur wirkt schlicht und elegant, in den Kojen sind vulgäre oder laute Werke eine Seltenheit. In der Animationsarbeit der Kolumbianer Fernando Pareja und Leidy Chavez wird zwar geschossen, aber die in einem Darkroom durch Stroboskoplicht in geisterhafte Bewegung gesetzte Allegorie auf Krieg und Gewaltherrschaft wirkt eher kafkaesk denn offen brutal. Präsentiert wird das auch technisch ungewöhnliche Werk von der jungen Chicagoer Galerie The Mission (inzwischen auch mit Filiale in Houston), die nach zwei "Exposure"-Jahren inzwischen bei den etablierten Galerien mitmischt.
 
Die amerikanischen Häuser, vor allem auch die lokalen Galerien des Austragungsortes, können in der Qualität gut mit den Europäern mithalten. Eine starken Eindruck hinterlässt die Alan Koppel Gallery aus Chicago, die einen großen Bogen von Marcel Duchamps "Rotoreliefs" über Werke von Richard Hamilton bis hin zu seriell gemalten Miniaturen von Peter Dreher schlägt. Elf Werke konnte Koppel schon während der Preview am Donnerstag verkaufen. Aber richtig abgehen wird die Messe erst ab Samstag. Die traditionell fleißige Stadtbevölkerung hat Chicago das Motto "The City that works" beschert. Einkaufen geht man hier am Wochenende, das gilt auch für den Kunstmarkt.
 
Expo Chicago, 18. bis 21. September