Zum Tode des Filmemachers Harun Farocki

Nicht löschbares Feuer

Es geht nicht ohne ihn, das ist das Erste, was einem durch den Kopf geht. Harun Farocki war, nur zum Beispiel, ständiger Co-Autor des Filmemachers Christian Petzold. „Wir kennen uns schon sehr lange“, sagte Petzold nach der Premiere von „Barbara“ (2012) zu Monopol. „Alle unsere Geschichten sind im Dialog entstanden. Das ist das Schönste, wenn man eine Idee hat und man geht spazieren, trifft sich in der Küche, trinkt Kaffee und raucht, jeder kramt Bücher hervor und erinnert sich an irgendwelche Dinge. Wir sind Goldgräber, wir spinnen zusammen ein Garn. Ich könnte nie alleine schreiben.“

Petzolds letzte Zusammenarbeit mit Farocki kommt am 25. September ins Kino: In „Phoenix“ spielt Nina Hoss eine Auschwitz-Überlebende in der unmittelbaren deutschen Nachkriegszeit. Eine erste Pressevorführung am Montag zeigte, dass es Petzold und Farocki wieder gelang, verschiedenste Quellen und Motive zu einem Szenario „wie aus einem Guss“ zusammenzuführen.

Farocki, 1944 im damals von den Deutschen annektierten Teil der Tschechoslowakei geboren, studierte 1966 bis 1968 an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Westberlins, war später Redakteur der Münchener Zeitschrift „Filmkritik“, produzierte ab 1966 zahlreiche Dokumentarfilme und Essayfilme und war seit 1996 auch im Kunstbetrieb aktiv, mit diversen Gruppen- und Soloausstellungen. Die Medieninstallation „Deep Play“, die Anatomie des Fußball-WM-Finales von 2006 auf zwölf Monitoren, zählte zu den stärksten Werken der Documenta 2007.

Es sei wichtig, so Farocki, „dass es so viele bewegte Bilder in der Kunstwelt gibt. So kommt es zu neuen Sichtweisen, Kunstgeschichtler etwa haben in den letzten Jahren angefangen, über Filme zu schreiben.“ Seine vierteilige Werkreihe „Ernste Spiele“ ist seit Februar im Hamburger Bahnhof zu sehen. Der Zyklus wurde in einem Trainingscenter für Mitglieder der US-Army in der Nähe von Seattle gedreht. Dort bereitet man Soldaten auf Einsätze in Krisenherden oder behandelt diejenigen, die traumatisiert zurückkommen. „Ernste Spiele II: Drei tot“ wurde bei einer militärischen Übung in der kalifornischen Mojave-Wüste gefilmt. Dort baute die Armee eine Stadt und beschäftigte etwa 300 Statisten, die die afghanische und irakische Bevölkerung darstellten. „Diese Stadt sah aus, als habe man die Wirklichkeit einer Computeranimation nachgebildet“, bemerkte Farocki dazu.

Die Filme, die der Künstler vor seinem 40. Geburtstag gedreht habe, seien in gewisser Weise „politisch veraltet“, bemerkte der Künstler selbst. Der Agitprop-Film „Nicht löschbares Feuer“ von 1969 bildete für ihn eine Ausnahme, da er „symptomatisch ist für die damalige Zeit und noch immer recht viel gezeigt, diskutiert und kommentiert wird.“

Ab 16. August präsentiert das Essener Museum Folkwang ein Projekt, an dem Farocki gemeinsam mit seiner Frau Antje Ehmann gearbeitet hat. „Eine Einstellung zur Arbeit“ besteht aus einzelnen Film-Einstellungen, die verschiedene internationale Künstler und Filmemacher zum Thema „Arbeit“ drehten. Ausgangspunkt für das Langzeitprojekt war ein berühmtes Dokument der Gebrüder Lumière von 1895: „Arbeiter verlassen die Lumière-Fabrik in Lyon“.

Farocki selbst hat bis zuletzt gearbeitet. Ein unersetzlicher Künstler und Denker, ein Teamworker, der den Dialog mit Gleichgesinnten liebte. Wie die Galerie Thaddaeus Ropac in Salzburg nun Monopol bestätigte, ist der Filmemacher und Künstler am Mittwoch im Alter von 70 Jahren in der Nähe von Berlin gestorben.