Interview zur Ruhrtriennale

Was macht die Kunst, Heiner Goebbels?

Heiner Goebbels, von 2012 bis 2014 sind Sie künstlerischer Leiter der Ruhrtriennale. Vieles scheint das Festival mit der Documenta zu verbinden.
Wir haben mit Verblüffung festgestellt, dass eine ganze Reihe von Documenta-Künstlern auch bei uns im Programm ist. Darüber hinaus mit Christian Marclay und Carsten Nicolai bildende Künstler, die auch eine sehr aufregende Musik machen – und wir zeigen sechs Wochen lang neue Videoarbeiten von Michal Rovner. In der Kunst gibt es schon lange eine Tendenz, nicht nur konzeptionell zu denken, sondern das Konzeptionelle auch erfahrbar und spürbar zu machen. Das ist eine Dimension, um das wir die darstellende Kunst erst mal erweitern müssen. Irgendwie haben sich in der Oper und im Theater das konventionelle Erzählen und die Idee vom intakten Subjekt hartnäckig gehalten. In der bildenden Kunst ist so etwas eher unzeitgemäß – und in meiner Anschauung auch. Wir möchten das Programm daher um einen Theaterbegriff erweitern, der Erfahrungen ermöglicht, wie man sie zum Beispiel auf der Documenta machen kann.

Die Ruhrtriennale eröffnet am 17. August mit „Europeras 1&2“ von John Cage. Nach dem Zufallsprinzip werden darin klassische Opernmomente neu miteinander kombiniert. Was haben Sie von John Cage mitgenommen?
Cage hat sich radikal aus den alten Zusammenhängen befreit. Welches riesige Potenzial in seinen Konzepten steckt, merken wir jetzt bei den „Europeras“-Proben in der Jahrhunderthalle. Alles, was jahrhundertelang zu Bedeutungsträgern zusammengeschweißt wurde – Arie, Text, Kostüm, Dekor –, trennt Cage unnachgiebig. Die Einzelteile kommen auf einmal zu ihrem Recht, so, wie man sie nie wahrgenommen hat. Mir ganz persönlich geht es mit den Opernstimmen so. Ich bin, ehrlich gesagt, kein Opernfan und dachte immer, es liegt an der klassischen Stimmkultur. Jetzt gerade merke ich, dass die Stimmen ganz fantastisch klingen, solange ihr Ausdruck nicht im Zusammenklang mit den anderen Elementen vervielfacht wird. Es ist dieses illustrierende Pathos, was mich immer von der Oper ferngehalten hat, nicht die Vokalkunst.

Auch Ihr Stück „When the mountain changed its clothing“ wird auf der Ruhrtriennale uraufgeführt. Darin schildern die Mädchen des Chors Carmina Slovenica ihre Gedanken und Gefühle. Kommt da der Soziologe Heiner Goebbels wieder durch?
Dass ich Soziologie studiert habe, spielt immer eine Rolle. Ohne soziologisches Interesse würde ich das ganze administrative Drumherum einer Triennale-Leitung auch nicht durchstehen. Und überhaupt macht mir meine Arbeit am meisten Spaß, wenn sich in ihr gesellschaftliche Beobachtung und musikalische Umsetzung verbinden. An den slowenischen Jugendlichen fesselt mich die widersprüchliche Koexistenz von ungeheurer Arbeitsdisziplin und großem, modernem Selbstbewusstsein.

Was für ein Publikum wünschen Sie sich?
Ein sehr heterogenes – was Alter, Beruf, Interessenlage angeht. Es gibt ja sehr verschiedene Blicke, die man auf meine Arbeit werfen kann, und das hat auch mit der Vielstimmigkeit derer zu tun, die in meinem Team zusammenarbeiten. Und das würde ich mir auch für die Ruhr-triennale wünschen: dass das Publikum sich erweitert um Leute, die normalerweise vielleicht nicht in die Oper oder ins Theater gehen, die eher von der bildenden Kunst kommen. Entsprechend stehen auch viele Künstler, die wir eingeladen haben – wie Romeo Castellucci oder Tino Sehgal –, an der Schwelle zwischen Performing und Visual Arts.

Das komplette Interview finden Sie in Monopol 8/2012.
Ruhrtriennale 2012–2014, erste Saison, 17. August bis 30. September, verschiedene Orte im Ruhrgebiet