Liam Gillick über den Kinofilm "Exhibition"

Im Stil einer Schaufensterpuppe

Sie lassen sonst die Kunst für sich sprechen. Wie kamen Sie dazu, in einem Kinofilm die Hauptrolle zu spielen?

Ich hatte noch nicht mal in der Schule Theater gespielt und habe nie an das Schauspielen gedacht. Aber ich glaube, es ist auch ein Teil des Problems zeitgenössischer Kunst, dass es entweder um eine Auseinandersetzung mit Kino und Wahrnehmungsfragen geht, oder Künstler gleich selbst Filme drehen. Der Aspekt der Performance war zu Zeiten der Avantgardebewegungen viel präsenter als heute! Es ist ein sehr merkwürdiges Gefühl, als Künstler die Kontrolle abzugeben und sich ganz in die Hände einer Regisseurin zu begeben. Was sie tut, hat sehr viel mit dem zu tun, was ich sonst mache: die Manipulation von Raum, Zeit, Objekten und Licht, aber auch von Narration und Erwartungen. Statt der Erschaffer zu sein, wurde ich plötzlich zum Material, und das ganz bewusst.

Wie ist es, als Laie vor der Kamera zu stehen?


Ich wusste, dass ich zu alt bin, um das Schauspielen zu lernen. Also habe ich einen Trick angewendet: Meine Technik war, mich wie eine Schaufensterpuppe zu verhalten. Ich habe zwischen den Szenen einfach geschlafen. Ich sehe im Film eh schon ein bisschen verpennt aus, aber in vielen Szenen bin ich buchstäblich gerade aufgewacht. Und wissen Sie was? Ich habe noch nie so gut und friedlich geschlafen wie da! Weil ich keine Verantwortung hatte. Was ich sonst mache, ist eine endlose Suche, ein bisschen neurotisch. Ich begriff, dass ich zu schnell arbeite. Diese Dreharbeiten haben meinen Sinn für Geschwindigkeit verändert.

In Ihrer Rolle entblößen Sie sich psychisch und physisch. Hatten Sie Bedenken, dass der Film möglicherweise Ihren Ruf als Konzeptkünstler schädigen könnte?

Absolut. Es ist eine Gratwanderung.

Warum haben Sie es getan?

Aus demselben Grund, warum ich den Deutschen Pavillon auf der Venedig Biennale 2009 gemacht habe. Beide Male bin ich nicht selbst aktiv geworden, sondern wurde gefragt. Das weckt mein Interesse und ich fange an zu überlegen, wie man das lösen kann. Kunst muss mit dem Kino in einen Dialog treten. Dies ist mein Beitrag.

Wie schwer sind Ihnen die Sexszenen gefallen?


Auf eine Art haben sie Spaß gemacht. Das Interessante ist, dass es sehr heiß wird, auch wenn man gar nicht wirklich Sex hat, sondern nur mit jemandem in einem Bett herumrollt. Es war definitiv nicht unangenehm. Bis auf den Moment, wo mich Viv, die meine Lebensgefährtin spielt, mit dem spitzen Absatz ihrer High Heels an einer empfindlichen Stelle erwischt. In der Szene sieht man mich lächeln, aber in Wirklichkeit war es eine Grimasse des Schmerzes. Viel schwerer als die Sexszenen ist es mir gefallen, „Ich liebe dich“ zu sagen.

Sie spielen im Film einen Konzeptkünstler. Wie viel von Ihnen steckt in der Rolle?

Er ist härter, während ich eher jemand bin, der es allen recht machen will. Ich habe weniger meine Kunst eingebracht als die Art, wie man als freischaffender Künstler lebt und arbeitet. Für uns gibt es keine klare Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Joanna plante einige Feierabend-Szenen mit uns, und ich erklärte ihr, dass wir keinen Feierabend haben. Es ist ja gerade unser Alptraum, dass wir nie aufhören zu arbeiten. Und ich habe Joanna klargemacht, dass man als Künstler das Haus nicht voller Kunst hat. Das typische Studio, das man oft in Filmen sieht, ist ein Klischee. Mein Arbeitsplatz ist ein leerer Schreibtisch mit einem Laptop, sonst nichts.

Ihre Figur im Film ist sehr selbstbewusst, frei von Zweifeln. Können Sie sich damit identifizieren? Wie sind Sie zum Beispiel mit der teils sehr harschen Kritik an Ihrer Installation im Deutschen Pavillon auf der Kunstbiennale 2009 umgegangen?

Ich hatte damals nichts anderes erwartet. In keinem anderen Land habe ich mehr gearbeitet als in Deutschland, meine britische Heimat und New York, wo ich heute lebe, eingeschlossen. Ich mag die starke kritische Tradition in Deutschland. Und ich hatte ja auch sehr gute Kritiken in Fachmagazinen. Wenn man als auswärtiger Künstler in Deutschland arbeitet, bekommt man keine Sonderbehandlung, man wird genauso in den Boden gerammt wie alle anderen. Und ich arbeite lang genug dort, um es nicht persönlich zu nehmen. Es geht darum, einen kritischen Diskurs zu schaffen. Das ist etwas ganz anderes als die Kunstszene in Großbritannien, die sehr viel heuchlerischer ist.

Ist der Film eine einmalige Erfahrung? Oder könnten Sie sich eine zweite Karriere als Schauspieler vorstellen?

Es war spannend und erhellend, ich habe es genossen, aber ich werde es nicht noch mal tun.

"Exhibition" läuft ab dem 11. Dezember 2014 in den deutschen Kinos