Petrit Halilaj in Bonn

Eine poetische Arche Noah

In der Bundeskunsthalle inventarisiert Petrit Halilaj die Sehnsucht nach der verlorenen Heimat

Wenn sich Petrit Halilaj seiner durcheinandergewirbelten Biografie annimmt, verschanzt er sich nicht hinter theoretischen Winkelzügen. Fragen nach Identität und Heimat geht er geradeheraus an. Wegen des Kosovokriegs flüchtete er als 13-Jähriger mit den Eltern nach Italien, später studierte er Kunst und pendelt seitdem zwischen Berlin und dem Süden. Einen Eindruck davon, wie Halilaj Kunst und Persönliches verflicht, erhält man bei seiner Schau in der Bonner Bundeskunsthalle gleich zu Beginn. In der Pförtnerloge vor der Ostgalerie dokumentiert ein Film, wie sich der Künstler durch das verwahrloste Naturhistorische Museum in Pristina arbeitet. Dort besichtigten jahrzehntelang Schulklassen die rund 2000 Objekte und Tierpräparate. 2001 war damit Schluss, die Sammlung wurde in den Keller verbannt. Das Nachkriegsregime bevorzugte eine nationalistisch-folkloristische Neuausrichtung des Hauses.

Halilaj war 2010 auf der Berlin Biennale mit einer Holzkonstruktion aufgefallen, die, belagert von gackernden Hühnern, an sein zerstörtes Elternhaus erinnerte. Auf der vergangenen Venedig-Biennale bespielte er den Kosovo-Pavillon mit einer begehbaren Erdhöhle. In Bonn schlägt Halilaj einen Bogen zu kollektiven Erfahrungen: dem Verlust von Kulturgütern, die Generationen geprägt hatten. Geklaute Vitrinen, Karteikarten, umfunktionierte Messingstangen sowie aus Kot, Lehm und Gras nachgebildete Tiere haben im Hauptraum eine poetische Arche Noah gefunden. Intakt sind die Viecher keineswegs: Hier fehlt ein Fuß, dort die Augen. Trotzdem behalten die Wildschweine, Eulen oder Bären den Humor, wenn sie im Spiegel ihr beschädigtes Selbst befragen oder um die Ecke neugierig nach den Besuchern Ausschau halten.

Dann wechselt plötzlich der Ton: Ein zweiter Film erzählt von der Bergung der Bestände hinter einer zehn Jahre verschlossenen Wand. Während eine Angestellte das Team beim Drehen behindert, kommt in der Finsternis das ganze Ausmaß der Zerstörung zum Vorschein. Schimmelpilz liegt wie Schnee auf den Präparaten, während der Kampf mit der Museumsleitung herrlich absurde Volten schlägt. Halilaj gelingt es, eine sehnsuchtsvolle Geschichte zu spinnen zwischen Gesellschaftsgroteske und Trip in eine aus der Zeit gefallene Wunderkammer.