Interview mit Gaowen Zhu von der Berliner Zhong Gallery

"Ai Weiwei hat seine Ziele, wir haben unsere"

Gaowen Zhu, der Kunstmarkt in China ist inzwischen einer der wichtigsten weltweit, die Art Basel hat sich bei der Kunstmesse Art HK in Hongkong eingekauft, auf Auktionen erreichen chinesische Künstler in der eigenen Heimat Rekordpreise. Wieso haben Sie keine Galerie in China eröffnet?
Ich möchte einen Kulturaustausch führen. Es gibt deutschsprachige Galerien in Peking, wie etwa Alexander Ochs. Aber es gibt noch keine Galerie in Europa, die von einem Chinesen geführt wird.

Warum haben Sie sich ausgerechnet für Berlin entschieden?
Ich hatte mir vorher auch noch andere Städte überlegt, New York zum Beispiel. Aber ich kenne Berlin schon von früheren Besuchen und finde die vielfältige Kunstszene hier sehr reizvoll.

Es ist aber auch bekannt, dass Berlin zwar ein Kunstproduktionsort ist, die Sammler hier jedoch nicht wohnen.
Das weiß ich. Ich finde das aber nicht so wichtig. Berlin hat andere Vorteile. Seit letztem Jahr studiere ich an der Central Academy of Fine Arts in Peking Kunstmanagement. Ich möchte lernen, wie deutsche Galerien arbeiten. Es gibt hier ja sehr viele, sehr bekannte Galerien. Und natürlich viele gute Künstler. Die zeitgenössische chinesische Kunst wird stark von deutscher Malerei beeinflusst.

Was sind Ihre Schwerpunkte?
Als ich anfing zu sammeln, habe ich vor allem realistische Malerei bevorzugt. Seit vier Jahren konzentriere ich mich jedoch auf die Generation, die in den 70er-Jahren geboren wurde, man nennt sie auch „Post 70“. Das soll unser Programmschwerpunkt werden. Deshalb zeigen wir zu Anfang gleich zwei Gruppenausstellungen hintereinander.

Gibt es etwas, was diese von Ihnen angesprochene Generation vereint?
Eine Gemeinsamkeit ist, dass diese jungen Künstler vor allem ihre Gefühle ausdrücken wollen. Es geht nicht mehr um das Individuum und die Gesellschaft, sondern vielmehr um die eigene Persönlichkeit, um Innenwelten. Sie sind hoffnungsvoll, positiv. Anders als die Generation, die in der Kulturrevolution aufgewachsen ist und gelitten hat.

In der Publikation zur ersten Ausstellung „Dämmerung – Neue Kunst aus China“ schreibt Ihr Kurator Fang Zhiling, der Westen suche in der chinesischen Gegenwartskunst vom Standpunkt der Menschenrechte und der fremden Kultur aus und der chinesische Staatsapparat schicke wiederum ideologisch gefilterte Werke ins Ausland.
Deshalb ist es uns wichtig, dass wir als Plattform für den Kulturaustausch zwischen China und Deutschland funktionieren. Ich glaube, der europäische Blick auf chinesische Kunst ist veraltet. Wenn Sie sich für China interessieren, dann schenken Sie Ihre Aufmerksamkeit der Kunst, dann kann man auch die Gesellschaft verstehen.

Sie werden hier in Berlin oft auf Ai Weiwei angesprochen, haben Sie erzählt.
Ai Weiwei hat seine Ziele, wir haben unsere. Wir sind eine junge Generation.

Können denn die jungen Künstler, die Sie vertreten, frei arbeiten?
Ja, das können sie.

Und werden Sie als Galerist in Ihrer Arbeit kontrolliert, etwa bei der Ausfuhr von Kunstwerken?
Nein. China ist nicht so, wie Europäer sich das vorstellen. Das ist ja genau auch der Punkt, warum ich diese Galerie hier gegründet habe. Ich will die Klischees brechen. Langfristig.

"Dämmerung - Neue Kunst aus China" zeigt Arbeiten von Chen Yujun, Li Jikai, Li Qing, Wang Guangle, Wang Yabin, Wu Di, Yuan Yuan und UNMASK,bis 31. März 2012, Zhong Gallery, Koppenplatz 5, Berlin, Di-Sa 11-18 Uhr.