Neues Webformat des Städel Museums

Wenn Kunst aus dem Rahmen fällt

© Städel Museum, Frankfurt am Main
© Städel Museum, Frankfurt am Main

Talk im Rahmen - Screenshot des Filmintros

In der neuen Webserie "Talk im Rahmen" des Städel Museums spricht ein Moderator mit Gemälden. Das Format soll neue Zielgruppen ansprechen. Anika Meier hat sich die Talk Show angesehen

Warum sitzen drei Gemälde auf einer Couch? Weil ein Moderator sich mit ihnen in einer Talk Show über "Authentizität, Selfies und das Netz" unterhalten will. Kein Witz. "Talk im Rahmen" heißt die Sendung, sie ist auf dem YouTube-Kanal des Städel Museums zu sehen und der TV-Moderator Gert Scobel spricht mit den sonst stummen Bildern. Vor sich hat er in der zweiten Folge ein Porträt von Hans Holbein d. J., ein Selbstbildnis mit Affen von Maria Lassnig und ein dreidimensionales Bild von Gerhard Hoehme. "Ich poste, also bin ich", diese These gilt es miteinander zu diskutieren.

Weil das Städel mit diesem brandneuen Webfilmformat, wie es in der Pressemitteilung heißt, "auch ganz neue Zielgruppen ansprechen will", muss man sie dort abholen, wo sie stehen. Oder vielmehr sitzen, nämlich vor YouTube. Und da sich die Digital Natives nur angesprochen fühlen, wenn es um soziale Medien geht – hat man sich wohl gedacht –, wird das um 1535 entstandene Bildnis des Simon George of Cornwall zum Profilbild auf Instagram, Tinder und Facebook und er selbst zum Urhipster, wie ihn der Moderator nennt. Fehlt nur noch ein: Yo, peace digga. Denn dieser Simon findet sich selbst ganz schön modern und meint, die urbanen Mitdreißiger hätten sich an seinem Style orientiert. Immerhin macht er irgendwas mit Bart Styling-Tipps auf einem eigenen YouTube-Kanal – den es hoffentlich nie geben wird.

Wenn der Moderator sich an die anderen Gäste in der Talkrunde richtet, krächzt der vermeintliche Star der sozialen Medien penetrant "I like" dazwischen. "Was genau liken Sie?", will Scobel dann doch von ihm wissen. Das Selbstbildnis mit Affen von Maria Lassnig bringt ihn zum Schmelzen und lässt ihn säuseln: "My goodness. So sweet this monkey. So sweet. Darf ich eine Foto machen? Bitte, my dear!" Etwas altklug meldet sich später auch Gerhard Hoehme zu Lassnig und ihrem Schimpansen zu Wort. Tiere seien in sozialen Netzwerken beliebt, weil sie einfach süß sind und das Kindchenschema bedienen. Das sorge für Klicks.

Ein wenig beschleicht mich während des knapp zehn minütigen Videos der Verdacht, dem Museum ginge es ebenfalls um Klicks. Besagte ganz neue Zielgruppe hängt sowieso vor dem Smartphone und klickt sich wild durch die Videos der YouTube-Stars mit ihren Millionen von Followern, vielleicht klicken sie ja auch hier. Schließlich geht es um Instagram, Tinder und die allgegenwärtigen Selfies, sogar ein Selfie-Stick muss gezückt werden. Offenbar hat das Städel Instagram bereits durchgespielt. Während einige Museen in Deutschland noch gar keinen Account beim sozialen Fotonetzwerk haben oder sich gerade einen anlegen, probiert das Städel schon aus, was sich mit bewegten Bildern in der Kunstvermittlung alles anstellen lässt.

Nur wenn das Format die Bilder in die Gegenwart holt, um seinem digitalen Bildungsauftrag nachzukommen, verwischen nicht nur die historischen Grenzen, sondern auch die der Gattungen und Medien. Alles ist Selfie. Alles ist Instagram. "Welche Information liegt denn Ihrer Meinung nach diesem Selfie, diesem Selbstbildnis zugrunde?", fragt der Moderator Hoehme zum Werk von Lassnig. Dass ein Selfie nicht mit einem Selbstporträt gleichzusetzen ist, weil es anders funktioniert, ist common sense in der Kunstkritik.

Für Jerry Saltz ist mit dem Selfie erstmals ein neues Genre entstanden, das nicht von Künstlern erfunden wurde. Selfies entstehen spontan, schnell und werden in sozialen Netzwerken geteilt. Selfies seien "professionell lächerlich", sie beruhen auf einer Deformation des Ausdrucks, wie dem Duckface, der Entenschnute, man lache über sich selbst, so Chris Dercon in der aktuellen Ausgabe von Monopol. Lassnig selbst teilt später ordentlich aus, wenn sie sagt, sie wolle ihre ehrliche Persönlichkeit zeigen, ganz authentisch sein, so wie sie sich fühle. Sie will nicht bloß Oberfläche sein, wie ihr Gegenüber im kreisrunden Profil. Das gelinge besser mit der Malerei als mit Instagram, wie sie in abschätzigem Ton sagt.

Aber vielleicht sollte man als Zuschauer alles nicht so genau nehmen. Als Persiflage auf Talk Shows im Fernsehen funktioniert der "Talk im Rahmen" wunderbar. Das Format ist stellenweise lustig, unterhaltsam und kurzweilig. Wenn gelegentlich der Rahmen etwas verrutscht, hat man bei den Vorbildern vielleicht zu genau hingesehen. Nur, und hier geht eine der Leitfragen dieser Folge zurück an das Städel: Wie authentisch ist das?