Feature-Sektion der Art Basel

Jetzt aber!

In der kuratierten Feature-Sektion der Kunstmesse Art Basel sind in diesem Jahr viele Künstlerinnen zu entdecken, die längst Klassikerinnen sein müssten

Lea Lublin hat die richtigen Fragen für eine Kunstmesse gestellt: "Ist Kunst Sublimierung?", steht auf dem riesigen Banner, mit dem die argentinisch-französische Künstlerin in den 70er-Jahren an verschiedenen Orten der Welt zum Diskutieren aufrief. "Ist Kunst ein Symptom? Ist Kunst ein ideologisches Produkt?"

Auf der Art Basel ist die Kunst zunächst einmal eine Ware, doch neben Geschäften lassen sich in der 2010 etablierten Feature-Sektion auch künstlerische Entdeckungen und Wiederentdeckungen machen. Die 32 hier teilnehmenden Galerien kuratieren ihre Stände wie Ausstellungen, mit Einzelpräsentationen oder thematischen Schauen – und bringen in diesem Jahr auffällig viele Künstlerinnen nach Basel, die neue Aufmerksamkeit verdienen.

Wie die 1999 verstorbene Lea Lublin, deren Arbeiten sich hübscher Verkäuflichkeit entziehen. Nachdem sie Mitte der 60er-Jahre die Malerei aufgegeben hatte – noch die politischsten Bilder landeten im bourgeoisen Wohnzimmer –, wohnte sie eine Ausstellung lang mit ihrem sieben Monate alten Sohn im Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris oder ließ ihr Publikum reproduzierte Ikonen der Kunstgeschichte mit Wasser bespritzen. Auf der Art Basel zeigt die Galeristin Deborah Schamoni unter anderem die Mona Lisa aus dieser feuchtfröhlichen "Voir clair"-Serie. Leonardos Schöne lächelt als Kopie hinter einer Fensterscheibe, während das benetzte Glasschild unermüdlich von zwei Scheibenwischern gesäubert wird. Ein wenig wandfreundlicher ist die Arbeit "R.S.I. – Dürer, del Sarto, Parmigianino" von 1983, in der altmeisterliche Jesuskinder auf die klaren Formen und Farben des Suprematismus treffen – und damit auch zwei verschiedene Sphären des Männlichen kollidieren.

Neben Lea Lublin ruft die Feature-Sektion auch andere Künstlerinnen in Erinnerung, die bereits auf ein großes Lebenswerk zurückschauen können. Die US-amerikanische Fotografin Barbara Kasten beispielsweise erlebt mit 80 Jahren gerade ein Karrierehoch. Ihre abstrakten Bilder, die rätselhafte Räume erzeugen und an flach gedrückte Kulissen für ein Bauhaus-Ballett erinnern, wurden im vergangenen Jahr mit einer Retrospektive im MOCA Los Angeles geehrt und werden heute als Wegbereiter einer neuen (meist digitalen) Lust an opulenter Abstraktion geschätzt. Die Galerie Kadel Willborn bringt nun zehn Vintage-Prints aus Kastens "New York Constructs"-Serie aus den 80er-Jahren nach Basel, die die Eindrücke der Stadt als postmodernes Formenspiel inszenieren. Die Aufnahmen von Studiosets aus Pappe und Licht wirken heute wie Vorläufer von bunten Architektursoftware-Experimenten.

Ebenso nostalgisch ist die körperlose Stimme von Constance DeJong, die auf dem Stand der New Yorker Galerie Bureau aus einem alten Kastenradio sprudeln wird. Die New Yorkerin, die sich als Malerin, Bildhauerin, Autorin und Performerin einen Namen gemacht hat, unternimmt in "Pink Knight Roland" eine assoziative Reise durch die USA. Sie beschreibt so gegensätzliche Orte wie die Madison Avenue in New York und einen Feldweg im ländlichen Nichts und spricht auch immer wieder über die Menschen, die ihren Weg kreuzen. Eine andere Art von Begegnung schafft die Malerin Margot Bergman aus Chicago, die gefundene Bilder mit dicken Schichten Farbe überstreicht und daraus grotesk anmutende Mehrfachgesichter entstehen lässt. Obwohl sie in ihrer Heimatstadt schon seit den 70er-Jahren viel beachtete Ausstellungen bespielt, ist die Präsenz in Basel am Stand Galerie Corbett vs. Dempsey (Chicago) noch ein seltener Europa-Ausflug. Auch eine 82-jährige Künstlerin kann eine Ent­deckung sein.