Omer Fast in Berlin

Menschen des 21. Jahrhunderts

Im Berliner Martin-Gropius-Bau schafft Omer Fast den Fake News eine Bühne

Wie harmlos klang doch früher das Wort "Zeitungsente"! Heute hingegen: Falschmeldungen oder – noch gefährlicher – Verschwörungstheorien rütteln die liberale Demokratie durcheinander. Klimawandel? Eine Lüge! 9/11? Inszeniert! Flüchtlingskriminalität? Vertuscht! Kunst, die wie die von Omer Fast die Grenze zwischen Dokumentation und Fiktion zum Thema hat, lädt sich an den politischen Verhältnissen des Jahres 2017 heftig neu auf. Das kann man zurzeit in der Ausstellung "Reden ist nicht immer die Lösung" im Martin-Gropius-Bau erleben.

Schon der Auftakt der ersten Institutionsschau des israelischen Künstlers in seiner Wahlheimat Berlin hätte mit der erneut zu Brisanz gelangten Arbeit "CNN Concatenated" (2002) nicht besser gelingen können. Der Besucher betritt ein Behördenwartezimmer und sieht im Fernseher CNN-Journalisten persönliche Botschaften an ihn richten: "Ironie ist jetzt offiziell vorbei, also warum holst du dir nicht einen Drink ..." Fast hat TV-Material so zusammengeschnitten, dass aus einzelnen Worten neue Sätze entstehen. Auch wenn diese Arbeit die Ära George W. Bush porträtiert, denkt man sofort an das Urteil, das Donald Trump im Januar einem CNN-Reporter entgegendonnerte: "You are fake news!" Und so geht es weiter: In den sieben Film- und Videoinstallationen, die in der neuen Reihe "Immersion" der Berliner Festspiele hier ausgestellt sind, betont Fast immer wieder die Brüchigkeit von Realitätsdarstellungen. Häufig recherchiert der Mittvierziger lange, um dann die Ergebnisse zu inszenieren. So sprechen Schauspieler oder Kinder Sätze der Interviewpartner, oder Situationen werden nachgestellt.

Verstärkt wird der Eindruck der Bühnenhaftigkeit durch die Settings, in denen die Filme und Videos laufen: Neben dem Amt hat Fast ein verblüffend realistisches Flughafen-Gate und ein Wartezimmer eines Bestattungsinstituts in den Neorenaissancebau gepflanzt – Transitzonen, in denen man Kunst anders wahrnimmt als in den Kontemplationsräumen eines Museums. Seinen neuen 3-D-Film "August" präsentiert Fast hingegen in einer Blackbox. Das Porträt August Sanders kann man als Auseinandersetzung mit der eigenen Künstlerrolle verstehen: Wie der 1964 gestorbene Fotograf interessiert sich doch auch Fast für Spezialisten (Soldaten, Bestattungsunternehmer, Pornodarsteller und eben Künstler). Aber Sander der mit seinem Bildatlas "Menschen des 20. Jahrhunderts" sachlich Milieus abbilden wollte, erhält im Film Lob von einem Nazikader. Tatsächlich: Die Kategorisierung von Menschen haben die Nationalsozialisten – im Umschlag der Dialektik der Aufklärung – zur Perfektion getrieben. Sander, dessen sozialistischer Sohn 1944 im Zuchthaus starb, legt sich bei Fast zum Sterben in den Wald. Zurück in die vorgesellschaftliche Natur – mit diesem düsteren Fazit gibt Omer Fast seinen Kollegen für die Trump-Jahre einen lähmenden Auftrag.