Hamburger Bahnhof

Die Lust am Töten

Mord oder Totschlag. Auf Freispruch zu plädieren hätte keinen Sinn, selbst auf mildernde Umstände zu hoffen wäre aussichtslos bei den Kreaturen in Walton Fords Aquarellen. Auf den ersten Blick muten die Menagerien des Amerikaners zwar an wie seriöse britische Kolonialmalerei oder naturalistische Werke des 19. Jahrhunderts. Und tatsächlich bringt Ford seine Bilder in fast altmeisterlicher Manier auf: mit Wasserfarben auf Papier, manchmal Öl auf Holz.

Umso tiefer sitzt der Schreck beim zweiten Hinsehen. Ein Truthahn drückt einen Papagei martialisch zu Boden; ein blutverschmierter Bison wehrt sich gegen eine Wolfsmeute; ein Elefant trampelt mit monströser Erektion durch die Steppe. Dabei wirken Fords Geschöpfe nicht wie triebgesteuerte Bestien, die nur töten, um zu überleben. Sie haben durchaus eine Seele – aber keine Skrupel. Eher schon Lust daran, sich gegenseitig zu massakrieren oder selbst zu richten.

Seine Akteure entlehnt der Künstler von anderen Malern, zum Beispiel George Catlin, oder er lässt sich von Forschern und Literaten inspirieren. Bereits als kleiner Junge zeichnete er vor den Vitrinen des Naturkundemuseums in Larchmont, New York. Was ihn damals faszinierte, versucht er heute in seiner Kunst zu bannen – die „Fieberträume von Gewalt“ der frühen Entdecker, die Magie des ersten Kontakts zwischen Abenteurer und Wildnis. „Es verhält sich ein bisschen wie bei David Lynch, tatsächlich erzählen meine Bilder jedoch Geschichte“, erklärt der 49-Jährige, dessen Arbeiten in zahlreichen US-Institutionen, darunter das MoMA, gezeigt wurden, hierzulande allerdings noch relativ unbekannt sind.

Walton Ford verhandelt in seinen Fabelwerken ein seit langer Zeit andauerndes Verbrechen: den Eingriff der Zivilisation in Flora und Fauna. Das Unheimlichste daran sind die beinahe humanen Züge seiner animalischen Wesen. Das böseste Tier bleibt eben doch der Mensch.
 
Hamburger Bahnhof, Berlin, bis 23. Mai. Mehr Informationen unter www.hamburgerbahnhof.de