Eiertanz auf dem Vulkan

 

Wenn es um das Sammeln von Kunst geht, gibt es schon immer einen Unterschied zwischen Europäern und Amerikanern. Sammler vom alten Kontinent entscheiden lieber selbst, ob sie ein Werk kaufen oder nicht. In den USA ist der persönliche Geschmack weniger maßgebend. Genauso wie beim Innenarchitekten für die Einrichtung des Hauses oder beim Finanzberater für die Betreuung des Portfolios stützt man sich dort auf Art-Consultants, um die Kunstsammlung aufzustocken. Außerdem waren die Amerikaner bis zur Krise auch bereit, mehr Geld auszugeben als ihre europäischen Pendants.


In der Rezession hat sich die Lage verändert. Natürlich ist der durchschnittliche Sammler, der Arbeiten in der Preisspanne zwischen 10.000 und 50.000 Euro kauft, in Europa ebenfalls reservierter geworden, und auch die Europäer haben ihre Einkäufe auffällig reduziert, aber sie scheinen weniger unter der Krise zu leiden als die Amerikaner.
Bei der Art Basel im Juni fiel ihre Stärke besonders ins Auge. Barbara Gladstone und Marian Goodman, deren Kunden bis vor Kurzem fast ausschließlich aus den USA kamen, verkauften hier vor allem an europäische Sammler. „Die Europäer stehen der Krise entspannter gegenüber“, sagt der österreichische Galerist Thaddaeus Ropac. „Schon das Wort hört man nicht so oft wie in den USA, wo die Leute hysterisch geworden sind und denken, sie hätten ihr letztes Hemd verloren.“


Keine Frage: Die Finanzkrise hat New York besonders schwer getroffen. Sammler, die bis in den Herbst 2008 sehr aktiv waren, sind in den vergangenen Auktionsrunden zu Verkäufern geworden. Im Mai verkaufte Hedgefonds-Manager Daniel Loeb bei Sotheby’s für 5,5 Millionen Dollar eine Skulptur von Jeff Koons – das unterschritt den unteren Schätzpreis. Sein Hedgefonds-Kollege David Ganek, der für seine aggressiven Geschäfts- strategien bekannt war, hat sich aus dem Kunstmarkt komplett zurückgezogen. Betrogene Madoff-Investoren wie Jerome Fischer oder William Aschenbaum mussten ihre Picassos verkaufen.


Aber es gibt auch eine psychologische Komponente. Sogar Sammler, die von der Finanzkrise nicht persönlich betroffen waren, kaufen weniger. Die New Yorkerin Laura Skoler sagt, dass sie ihre Ausgaben um gut 30 Prozent reduziert und schon seit Oktober kein neues Werk mehr gekauft habe. Sammlern wie ihr ist Kunst nicht unbedingt zu teuer, sie sind vielmehr ratlos, was sie tun sollen. „Puritanismus ist in den USA sehr ausgeprägt“, sagt Denis Gardarin, Kodirektor der New Yorker Sean Kelly Gallery. „Viele Sammler wollen nicht beim Kaufen von Kunst gesehen werden, weil sie sich sonst schuldig fühlen.“


Aber kaufen Europäer im Moment wirklich so viel mehr als Amerikaner? „In den Boomzeiten kauften amerikanische Sammler überproportional viel“, sagt der New Yorker Galerist David Zwirner, „zurzeit sind die Verkäufe relativ gleichmäßig verteilt. Im Segment über zehn Millionen Dollar gibt es mehr Amerikaner, die bereit sind zu kaufen. Aber im Segment zwischen einer und fünf Millionen Dollar kaufen Sammler aus Europa genauso viel wie die aus den USA.“ Natürlich trifft das nur auf Großgalerien zu. Viele junge Galerien, die auf nordamerikanische Kunden angewiesen waren, mussten inzwischen schließen. Andere, wie die Bellwether Gallery, sahen dabei zu, wie ihre Einnahmen auf bis zu 20 Prozent des Vorjahresniveaus sanken.


Auf dem internationalen Markt macht sich zudem bemerkbar, dass amerikanische Sammler wieder mehr dazu neigen, vor allem ihren eigenen Markt zu beschützen. „Amerikaner sind im gewissen Sinn zu Protektionisten geworden. Sie kaufen immer noch, aber vor allem von amerikanischen Galerien, als wollten sie ihre Staatswirtschaft unterstützen“, berichtet Olivier Belot von Yvon Lambert. 69 Prozent der Käufer beim New Yorker Christie’s Contemporary Art Evening Sale im Mai kamen aus den USA, bei Sotheby’s in London waren es im Juni nur 24 Prozent.


Man kann verstehen, warum immer mehr amerikanische Händler ihr Geschäft auch nach Europa ausdehnen wollen. Barbara Gladstone hat das mit ihrer Brüsseler Filiale schon getan. Larry Gagosian hat sich in letzter Zeit eine Reihe von Pariser Immobilien angesehen, vor allem im schicken achten Arrondis- sement. David Zwirner geht davon aus, dass er in den nächsten zwei bis fünf Jahren nach Europa expandieren wird.
Andererseits wurden im Juni auch in den USA die ersten kleinen Anzeichen für eine Besserung der Lage spürbar, wie die meisten wichtigen New Yorker Galerien berichten. Viele Sammler hatten sich in den vergangenen Jahren nur selten blicken lassen und kommen jetzt wegen der niedrigeren Preise und des entspannteren Verkaufstempos zurück. Vielleicht hat Thaddaeus Ropac recht, wenn er optimistisch in die Zukunft blickt. „Den amerikanischen Sammlern wird es zu langweilig werden, sich zurückzuhalten“, sagt er. „Sie können nicht leben, ohne zu kaufen. Es gehört einfach zu ihrer Mentalität.“ Roxana Azimi