Francis Kéré in London und Berlin

Utopie leicht gemacht

Francis Kéré, der Architekt der Stunde, entwirft den neuen Serpentine-Pavillon in London und ein mobiles Amphitheater für Berlin

Ein baumkronenförmiger Pavillon in einem Park? Francis Kérés Entwurf für den diesjährigen Serpentine-Pavillon in den Londoner Kensington Gardens klingt mäßig originell. Allerdings besteht die Kunst des 51-Jährigen gerade in der Verbindung des Radikal-Einfachen und des Blitzgescheiten, der Übertragung lokaler Bautraditionen auf die Erfordernisse einer nachhaltigen, zeitgemäßen Architektur. Kéré zeigt, was möglich ist, wenn statt spektakulärer Formenspiele der gesellschaftliche Austausch auf das Reißbrett rückt.

Kéré, geboren in Burkina Faso, Studium an der TU Berlin, wurde bekannt mit einer Reihe von preisgekrönten Schulgebäuden in seiner Heimat und dem Entwurf für das von dem Theaterregisseur und Filmemacher Christoph Schlingensief initiierte Operndorf Afrika.

Als Ort des Austauschs ist auch sein Londoner Projekt konzipiert. Inspiriert durch den Baum, der als zentraler Treffpunkt in seinem Heimatdorf Gando dient, hat Kéré einen Pavillon entworfen, der die Besucher in Kontakt mit der Natur und miteinander bringen soll. Die Kapriolen des Londoner Wetters werden dabei zum Gestaltungselement: Ein weites Dach aus perforierten Holzlamellen lässt tagsüber Licht und Schatten spielen, nachts glüht der illuminierte Pavillon im Park wie ein Ufo im Weltall. Im Zentrum des Baus erstreckt sich ein Freiluftinnenhof, in dem die Besucher sonnenbaden oder Performances erleben können – regnet es, entsteht hier ein kleiner Wasserfall. "Diese Regensammlung", so Kéré, "steht symbolisch für die Bedeutung des Wassers als fundamentaler Ressource für Leben und Wohlstand."

Sein nächstes Projekt wird Kéré in Berlin realisieren, wo seit vielen Jahren auch sein Büro sitzt. Der neue Volksbühnen-Intendant Chris Dercon hat ihn beauftragt, auf dem Tempelhofer Feld ein mobiles Theater zu errichten. Die Komponenten von Kérés modularem System lassen sich flexibel auf die Bedürfnisse von Tanz, Theater oder Musikkonzerten einstellen. Und sie erlauben es, mit dem Monumentalbau des früheren Flughafens in Dialog zu treten, in dessen Hangars derzeit mehr als 700 Geflüchtete leben. Zur Premiere im September wird in Kérés Amphitheater die "Iphigenie" des Dramatikers Mohammad al-Attar aus Damaskus aufgeführt werden – mit einem Chor syrischer Frauen, ihren Lebens- und Fluchtgeschichten.