Ausstellung

In Frankfurt trifft Cady Noland den Nerv

Dass es die Ausstellung von Cady Noland im Frankfurt überhaupt gibt, ist ein kleines Wunder: Die US-Künstlerin hatte sich eigentlich mit Furor von der Kunstwelt abgewandt. Susanne Pfeffer hätte als neue Direktorin des Museum der Modernen Kunst (MMK) keinen besseren Start haben können

Vor mehr als 20 Jahren griff Cady Noland zum letzten Mal ein Fundstück der amerikanischen Alltagskultur auf und arrangierte es mit anderen exemplarischen Gegenständen zu Schaubildern einer ganzen Gattung. Die Spezies ist die Gesellschaft der USA. Deren Bestandteile: verchromte Metallstange, Handschellen, Leuchtpistole, Kosmetikspiegel ("The Mirror Device", 1987). Oder Patronen, Handgranate, Coca-Cola-Dose, Bierdose, in Plexiglas gegossener Sheriffstern ("Untitled", 1986).

Aufsehenerregend an der Cady-Noland-Schau, der ersten Ausstellung unter Su­sanne Pfeffer als Direktorin des MMK, ist zum einen, welche überzeitliche Präzision die Künstlerin Mitte der 80er- bis Mitte der 90er-Jahre erreichte. Jede einzelne der rund 80 Arbeiten könnte genauso gut von 1965 sein oder von morgen. Zum anderen, dass es die Ausstellung überhaupt gibt. Die Tochter von Kenneth Noland hatte sich mit Furor von der Kunstwelt abgewandt, legte sich mit jedem an, der Werke von ihr herumschob, lehnte eine Retrospektive im MoMA ab und blieb unsichtbarer, unversöhnter Mythos.

Bis Susanne Pfeffer kam. Am Modell des spitz zulaufenden Hollein-Baus platzierten sie gemeinsam die Arbeiten, deren Herkunft sie bei Sammlern in den USA und Europa ermittelten, und ergänzten sie mit wenigen, sehr gut ausgesuchten Werken aus der MMK-Sammlung. Susanne Pfeffer hat dramaturgisch alles aus den teilweise extrem geschnittenen Räumen herausgeholt, auch Wände leer gelassen zugunsten einer elektrisierenden Dichte höheren Grades.

Die Inszenierung von "Oozewald" wirkt fast körperlich: Der Aluminium-Aufsteller zeigt den verurteilten Kennedy-Mörder Harvey Lee Oswald im Moment seiner Erschießung, einen Coke-Becher und die amerikanische Flagge als Knebel in der Mundöffnung.

Dabei steckt in der Brutalität von Cady Nolands Symbolsprache auch immer eine anziehende Facette: ­Baseballschläger, Handschellen, Chromstangen, Karabiner, Weißwandreifen sind nicht nur Machtinstrumente, sondern auch ästhetische Fetische. Die Geschichte aus Sühne, Moral, Glamour und Gewalt, deren Requisiten sie sind, schreibt sich fort. Die Kunst von Cady Noland aktualisiert sich von selbst. Es ist ein Irrtum, zu denken, es liege an der aktuellen politischen Lage in den USA. Sie hat es zu jeder Zeit getan, so wie Ausnahmekunst es immer tut.