Andreas Slominski in Hamburg

Glücksgriff ins Klo

Nach Tierfallen oder Garagen entdeckt Andreas Slominski die Mobiltoilette als Kunstobjekt – in einer großen Installation für die Hamburger Deichtorhallen

Die Moderne hat ein Faible fürs Klo: Marcel Duchamp erklärte 1917 ein Urinal zum Kunstobjekt. "Fountain" war nicht das erste Readymade, aber eines mit besonderer Breitenwirkung. Zu den jüngsten Grenzverwischungen zwischen Kunst und Alltag zählt Maurizio Cattelans Goldklo für das Guggenheim "America". Allerdings scheint es noch zu dauern, bis Museumsbesucher es benutzen können. Es soll Herstellungsprobleme geben, auf der Guggenheim-Homepage ist das Projekt als "upcoming" vermerkt.

Indessen hat Andreas Slominski seine große Installation aus fast 200 mobilen Toilettenhäuschen für die Hamburger Deichtorhallen ohne Verzug fertiggestellt. Die Schau "Das Ü des Türhüters" – man mag an Kafkas Parabel "Vor dem Gesetz" denken oder an den Pförtner, einen Ringmuskel zwischen Magen und Darm – ist allerdings nicht für dringende Geschäfte angelegt. Die blauen, roten und grünen Klos der Schau bleiben hygienisch sauber.

Andreas Slominski wurde mit Tierfallen bekannt, die er in Kunsträumen fängisch stellte und so eine besondere Spannung schürte, "als würde man eine Ohrfeige erwarten" (Slominski). Weit weg von der Fallen-Idee sind die Kabinen nicht. Jedes Kind kennt die Panik, die einen erfasst, wenn man im Klo eingeschlossen ist.

In der Halle für aktuelle Kunst stehen die Häuschen, Museumswände bildend, Spalier, mutieren zu verglasten Vitrinen und natürlich zu Kunstwerken. Man denkt als erstes an eine Kathedrale. Ein breiter Gang aus blauen Klohäuschen rechts und links bildet das Hauptschiff, darüber schwebt eine Art barocker Kronleuchter aus kreisförmig verbundenen Kabinen. Die Module der Ausstellung selbst könnten Beichtstühle sein, Strandkabinen oder Wachhäuschen. Die militärische Anmutung weist auf die Erfindung der Mobiltoilette zurück: 1973 schraubte sich ein in Deutschland stationierter US-Soldat, der keine Lust auf die üblichen "Donnerbalken" im Manöver hatte, ein provisorisches Klo zusammen, nannte es Dixi und schrieb damit Designgeschichte.

Dass seine Arbeit sich nicht in der Readymade-Idee erschöpft, sondern Vorgefundenes weiterverarbeitet und damit verwandelt, zeigt Slominski nicht zuletzt im "Gurgelraum" seiner Präsentation. Aus drei Waschtischelementen von Luxusmobiltoiletten hängen Schläuche heraus, als würde Körperinneres nach außen gekehrt. Die Sanitärobjekte werden weiter vermenschlicht, man denkt an Becken und Därme, an Kehlen und Speiseröhren. Alle drei Objekte tragen das Wort "Gurgel" im Titel.

Slominski holt aus dem Klo-Komplex heraus, was herauszuholen ist, seine Lust am Umdenken, Umformen, Neu-Zusammensetzen grenzt ans Manische. Eines der Häuschen hat Slominski am oberen Ende einer Hallenwand angebracht und mit einem Motor versehen, der es wie einen Sekundenzeiger um die eigene Achse kreisen lässt. Zweimal pro Minute meldet sich das Objekt "Big Ben" akustisch – wenn die in der Luft schwingende Toilettentür zuklappt und kurz darauf Brille und Deckel auf den Klorand knallen.

Kinetische Kunst, poetisch und sinnfrei. Vielleicht nicht ganz, denn so absurd Slominskis verwinkelte Sanitärwelt erscheint, man kann sie getrost als Abbild der (mutmaßlich genauso absurden) Wirklichkeit außerhalb des stillen Örtchens nehmen. Religion, Arbeit, Liebe und Tod: alles spiegelt sich in diesem Gesamt-Kunststoff-Werk. Die Slominski-Edition "Pissoir mit Korken", je 36 Kunststoffteile in fünf Farben à 360 Euro, unübersehbare Hommage an Duchamp und sein Ur-Urinal, ist übrigens längst ausverkauft.