Ausstellung "The Great Mother" in Mailand

Zu den Müttern

In Mailand beweist die Ausstellung "The Great Mother" die Stärke der Frauen in der Kunstgeschichte

Muss man selbst Mutter sein, um eine überzeugende Ausstellung über Mütter zu machen? Natürlich nicht. Aber man muss gut recherchieren, um dem Klischee zu entkommen. Was Kurator Massimiliano Gioni bei der Vorbereitungen von "The Great Mother" offensichtlich getan hat.

Schon der erste Saal der Schau, mit der die Fondazione Nicola Trussardi zur Halbzeit der Mailänder Expo den Palazzo Reale am Domplatz bespielt, ist eine Überraschung: Einem abstrakten, warmroten runden Stoffobjekt der zurzeit überall wiederentdeckten polnischen Bildhauerin Magdalena Abakanowicz steht ein Film der ersten Regisseurin überhaupt gegenüber. Alice Guy-Blaché filmte 1896 eine verzückte Tänzerin, die Babys aus Kohlköpfen zieht. Absurd? Natürlich – und bereits eine Parodie auf die Klischees glücklicher Mutterschaft.

Noch spannender ist das Kapitel zum Futurismus, das dem Stereotyp der Machobewegung Werke der weiblichen Mitglieder entgegenstellt. So war Filippo Tommaso Marinettis Ehefrau Benedetta eine profilierte Künstlerin, die die Schnelligkeit von Motorbooten in Öl festhielt. Und Valentine de Saint Point schleuderte Marinetti, der die "Verachtung des Weibes" pries, ein Manifest der futuristischen Frau entgegen: Jeder Mensch habe und brauche männliche und weibliche Anteile. Auch im Dada und Surrealismus fand Gioni Künstlerinnen, die mit Tanz oder Collagen, Puppen und Schauspiel die Ikonografie der Frau und Mutter durcheinanderwirbelten, von Dora Maar bis Maria Éluard.

Ihren Titel, "Die große Mutter", leiht die Ausstellung von Jung und seiner Lehre von den Archetypen, die Beschäftigung mit der Psychoanalyse ist ein wichtiger Strang. Und während Francis Picabia und andere den Mutterkörper in Maschinen verwandeln, zwinkert aus den klassizistischen Sälen Sigmund Freud am Arm seiner Mama herüber in die Gegenwart, wo Rosemarie Trockel den Eingang zur ewigen Vulva auf Gustave Courbets "L’Origine du Monde" böse mit einer Spinne versperrt.

Bis in die Gegenwart schreibt die Schau die Geschichte der Mutter in der westlichen Welt als Körpergeschichte, aber auch Emanzipationsbewegung fort, originell und annähernd enzyklopädisch. Zur Pressekonferenz grüßte Massimiliano Gioni per Skype aus New York: Er war gerade Vater geworden. Und hält nun endgültig die Frauen für das stärkere Geschlecht.