Münchner Kunstfund

Gurlitts Bilder unter Raubkunstverdacht

Düsseldorf (dpa) - Als lange verschollen galten die rund 1400 Kunstwerke, die der Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt jahrzehntelang in seiner Münchner Wohnung aufbewahrte. Allein fast 600 Bilder sollen nun daraufhin überprüft werden, ob sie ehemals jüdischen Eigentümern in der NS-Zeit entwendet oder abgepresst wurden. Eine erste Liste von 25 möglichen Raubkunstwerken hat die Bundesregierung auf die Internet-Datenbank Lostart.de einstellen lassen.

   Bei mindestens einem Werk war seit Jahrzehnten bekannt, dass es sich in der Sammlung von Gurlitts Vater Hildebrand (1895-1956) befunden hat: Max Liebermanns 1901 entstandenes Bild «Reiter am Strand». Das Werk, von dem mehrere Varianten existieren, befand sich in Hildebrand Gurlitts Privatsammlung, die ihm von den Alliierten 1950 zurückgegeben wurde. Damit galt es als unverdächtig und tourte offiziell durch Ausstellungen in Berlin, Wien und Bremen. Niemals wurde in den 1950er oder 60er Jahren ein Verdacht geäußert oder ein Rückgabeanspruch gestellt. Erst fast 70 Jahre nach dem Ende des Nazi-Regimes steht es nun unter Raubkunstverdacht. Denn der ursprüngliche Eigentümer war laut Werkverzeichnis der jüdische Unternehmer David Friedmann aus Breslau.

   Hildebrand Gurlitt hatte als offiziell vom Nazi-Regime beauftragter Kunsthändler 1938 und 1940 auch mehr als 4000 als «entartete Kunst» diffamierte Papierarbeiten vom NS-Propagandaministerium aufgekauft und sollte diese für harte Devisen ins Ausland weiterverkaufen. In der Datenbank «Entartete Kunst» der Freien Universität Berlin sind ganze Grafik-Konvolute etwa von Max Beckmann, Ernst Barlach oder Otto Dix verzeichnet, die von Gurlitt gekauft wurden. Bei vielen Werken verliert sich 1941 die Spur. «Standort unbekannt», steht dann in der Datenbank.

   Zumindest bei einigen Bildern kann das nun durch «Sammlung Cornelius Gurlitt» ersetzt werden. Ein Beispiel: Das 1922 entstandene Aquarell «Dompteuse» von Otto Dix steht als verdächtiges Werk mit NS-Raubkunsthintergrund auf der jetzt veröffentlichten Liste. Es war laut Datenbank «Entartete Kunst» 1935 im Berliner Auktionshaus Max Perl von der Gestapo beschlagnahmt worden, gelangte dann in die Berliner Nationalgalerie und wurde dort 1937 im Zuge der Aktion «Entartete Kunst» erneut beschlagnahmt. Seitdem gab es keinen Hinweis mehr auf den Verbleib des Aquarells, bis es jetzt im Münchner Kunstschatz von Cornelius Gurlitt auftauchte.

   Auf der Liste ist auch die «Sitzende Frau» von Henri Matisse verzeichnet. Das Werk wurde 1942 vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg in einem Banktresor im französischen Libourne beschlagnahmt. Es war der Safe des jüdischen Kunsthändlers Paul Rosenberg. Seine Enkelin, die französische Journalistin Anne Sinclair, ist seit langem auf der Suche nach den verlorenen Bildern.