Paul McCarthy in der Volksbühne

Hell, yeah!

Was Paul McCarthys Installation "Rebel Dabble Babble" in der Volksbühne mit der Gentrifizierung, den Galliern, Grünkohlbrühe, Christoph Schlingensief und Chris Dercon zu tun hat

Mitte häutet sich. Quinoasprossen quillen aus jeder Sandsteinritze. Verzweifelte Gentrifizierungsgegner ziehen schon in Plattenbauten zurück, um keine kaltgepresste Grünkohlbrühe mehr trinken zu müssen. Aber es gibt ein paar Unbeugsame. Sie wohnen in einem gallischen Dorf namens Volksbühne. Von innerhalb des Palisadenwalls gesehen sieht Mitte so aus: Horden weißer Porsche Cayennes fallen ein. Boogaboos folgen ihnen. Kunstfuzzis verdrängen Spätis, Hipster kippen schlechten Kaffee in ihre Bärte, Englisch wird Pflichtsprache. Nachts prosten sich kreativdienstleistende Expats lautstark auf der Straße zu. Es ist die Hölle auf Erden.

Chris Dercon, der früh vor Gentrifizierung, Kreativzombies und der Invasion der Lifestylesammler in Mitte gewarnt hat, ist jetzt so etwas wie der Antichrist der Volksbühne. Der designierte Intendant und Nachfolger von Frank Castorf bekommt am Rosa-Luxemburg-Platz keinen Fuß auf den Boden. Für das gallische Dorf ist er Repräsentant der omnipräsenten Kunstfuzzis und ihrer kapitalistischen Verwertungslogik. Das ist schade. Denn wenn man sich Paul McCarthys beeindruckende Installation "Rebel Dabble Babble" in der Volksbühne anschaut, versteht man schnell: Hier wird etwas zu Ende gedacht, was mit Christoph Schlingensief begann. Die offene, betretbare Bühne, die Öffnung des ganzen Hauses, auch das All-over aus Sound und Filmprojektion, auch: die Grenzen überschreitende Ästhetik, das Derbe, Groteske, Explizite. Und die Perversion der Mythe.

Schlingensief war begeistert von McCarthy, das sieht man seinem Werk an. Dercon wiederum hat beide in München ausgestellt, sich intensiv mit ihnen beschäftigt, Freundschaften aufgebaut. McCarthys Installation einer aus dem Ruder laufenden, pornografischen Ménage à trois am Set von "Rebel Without A Cause" mit der großartigen Elyse Poppers als Hauptdarstellerin (und auf dem  Monopol-Septembercover) ist auf ästhetischer Ebene so etwas wie die Versöhnung nicht nur zwischen Theater und zeitgenössischer Kunst, sondern auch zwischen Volksbühne und Dercon.

Warum also das Volksbühnenflugblatt "No Service / gegen die Konsenskultur", in der man mit Dercon das "Ende der Kunst" heranziehen sieht, wo doch mit Paul und seinem Sohn Damon McCarthy – einmal mehr - der Stern einer genreübergreifenden, internationalen Kunst über der Volksbühne aufgeht, sie also geradezu zur, tja, Eventbude geworden ist?

Wegen der Quinoasprossen?