Guy Ullens

"Ich habe nie Werke gekauft, nur weil sie aus China kamen"

Der Belgier Guy Ullens sammelt gemeinsam mit seiner Frau Myriam seit über 25 Jahren chinesische Kunst. Im Monopol-Gespräch redet der pensionierte Unternehmer über den Boom der letzten Jahre, Mäzenatentum in China und über die Hoffnung, mit seinem vor zwei Jahren gegründeten Pekinger Privatmuseum, dem Ullens Center for Contemporary Art (UCCA), mitzumischen beim großen Wandel

Herr Ullens, der Markt für chinesische Gegenwartskunst hat einen unglaublichen Boom hinter sich. Spüren Sie nun Auswirkungen der Wirtschaftkrise?
Schwer zu sagen. Es wird wohl so sein, wie überall: Die Nachfrage nach Qualität hält an. Was in China allerdings anders ist als im Rest der Welt: Chinesen haben gerade erst angefangen, zeitgenössische Kunst zu sammeln. Und es entstehen viele neue Museen, die nun auch Sammlungen aufbauen. Die Chinesen wollen die besten Städte entwickeln, und sie wissen, dass man dafür auch Museen und andere Kulturinstitutionen benötigt. Sie wissen, dass die Menschen mehr und mehr Bildung brauchen. In China geht ja alles soviel schneller.

Klingt recht optimistisch ...
Für gute Werke wird der Preis hoch bleiben, und jeder weiß, was Spitzenlose sind. Die kaufe ich weiterhin. Bei großen Auktionen bleibt jetzt natürlich auch chinesische Kunst unverkauft. Aber Auktionsergebnisse interessieren mich nicht. Und ich habe nie nur aus dem Grund Werke gekauft, weil sie von chinesischen Künstlern waren. Allerdings haben einige Sammler genau das in den letzten Jahren getan. Davon würde ich abraten.

Im Frühjahr haben Sie 18 Arbeiten aus Ihrer Sammlung versteigern lassen. Warum?
Wissen Sie, meine Frau und ich, wir werden alt. Bald sind wir 75. Wir können eine solch große Sammlung nicht einfach so den Kindern und Enkeln hinterlassen. Man muss ein wenig System und Ordnung hineinbringen. Aber ich will nicht darüber reden, was ich verkaufe und kaufe. Nur soviel: Ich kaufe immer noch. Gerade erst wieder in Venedig, auf der Biennale.

Die Auktion mit Ihren Werken fand in Peking statt und hat mitten in der Krise 22 Millionen Dollar eingebracht. Zeigt der Erfolg, dass es in China einen Markt für Gegenwartskunst gibt?
Der Mark wird immer größer – normal. Viele Chinesen wollen nun aufschließen, was zeitgenössische Kunst betrifft. Es gibt bereits einige chinesische Sammler, die gut ausgerüstet sind und sich sehr diskret engagieren. Die so gut über chinesische Kunst informiert sind, wie keine anderen Sammler in der Welt.

Verbreiten sich mäzenatische Ideen in China?
Es gibt eins, zwei Privatmuseen, aber keines in der Größe des UCCA. Vielleicht ist es dafür zu früh. Das wird sich entwickeln. Es passiert soviel in China, alles ist möglich.

Haben Sie nie daran gedacht, Ihr Museum in Belgien zu bauen, um Europa an chinesische Gegenwartskunst heranzuführen?
Wir haben immer als Amateure gesammelt, aus Freunde an der Sache selbst. Wir haben lange in China gelebt und viele Künstler getroffen. Es war großartig! Damals hatten sie noch mehr Zeit, was von außerordentlichen Wert ist, wie ich finde. Der nächste Schritt war, sie zu promoten und Werke zu verleihen. Dann begann ich, sie auszustellen und die Ausstellungen auch ins chinesische Fernsehen zu bringen, um zu zeigen, wie gut die heimischen Künstler sind. Wir haben Installationen gesammelt, die wir irgendwo lagern mussten. Und so kauften wir eben Fabrikhallen. So hat sich das mehr und mehr professionalisiert.

Sie haben am Boom der chinesischen Kunst mitgewirkt. Glauben Sie, dass sie sich heute auf einem guten Weg befindet?
Wieder ist das schwer zu beantworten. Die Gegenwart ist genauso aufregend wie die Vergangenheit. Im Oktober haben wir im UCCA eine Ausstellung mit Künstlern der jüngeren Generation. Es gibt wirklich so gute junge Kunst in China, die sich mit anderen Dingen beschäftigt als die Vorgängergeneration.

Hat der Hype nicht auch schlechten Einfluss auf diese Generation gehabt?
Natürlich sind einige sehr kommerziell geworden. Manche hingegen haben gar keinen Erfolg und machen weiter, ohne irgendetwas auf Ruhm und Geld zu geben. Viele der ganz Großen können auch mit dem Erfolg umgehen. Von manchen bekommt man kein Werk, wenn sie einen nicht mögen.

Auch wenn die Krise nun alles runterkühlt, wie frei sind Künstler in China wirklich?
Dauernd hagelt es Kritik aus dem Westen, der vorschreiben will, wie China sein soll. In der Zwischenzeit experimentieren Partei und Künstler friedlich mit vielen Sachen und testen aus, wie weit man gehen kann. Es ist eine Gesellschaft, die sich im Wandel befindet.