Zero-Künstler Mack

"Ich möchte 100 Jahre alt werden"

Der Zero-Künstler Heinz Mack schwimmt auf einer Erfolgswelle. Nun wird er 85 - und startet noch einmal durch

Der Ruhm kam spät, aber gewaltig: Viele Jahrzehnte wurde die Zero-Kunst wenig beachtet, seit einigen Jahren aber findet sie auf dem Kunstmarkt reißenden Absatz. Das bedeutet für den Zero-Mitbegründer Heinz Mack viel Arbeit. Mack wird am 8. März 85 Jahre alt - und seine Kreativität ist ungebrochen. Ob glänzende Stelen oder Bilder in den Farben des Regenbogens - das Licht malt bei Mack immer mit. "Wenn ich ins Atelier gehe, vergesse ich, wie alt ich bin", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Herr Mack, Sie werden 85 Jahre alt und haben Ausstellungen in aller Welt. Während andere sich zur Ruhe setzen, hat man bei Ihnen das Gefühl, dass Sie jetzt noch einmal durchstarten.
Ich bin natürlich froh, dass ich gesund bin. Man muss mit dem, was die Natur vorgibt, auch einverstanden sein. Ich möchte 100 Jahre alt werden, so dass ich noch die Gelegenheit habe, ein paar sehr wichtige Arbeiten zu realisieren. Natürlich weiß ich, dass ich ein älterer Mann bin, aber wenn ich ins Atelier komme, vergesse ich vollkommen, wie alt ich bin. Das ist ein Privileg. Das hat man nur als Künstler. Ich versuche, mit meiner Zeit so sinnvoll und ökonomisch wie es geht umzugehen. Alles andere wäre wirklich eine Verschwendung an Lebenszeit.

Also ist Ihre Kreativität ungebrochen?
Ich habe nichts anderes getan, als mich seit bald 66 Jahren ausschließlich dem Thema Kunst zu widmen. Dann ist es wohl ebenso konsequent, dass ich mich dem Rest meiner Tage ebenso der Kunst zuwende.

Die Preise für Zero-Kunst und damit auch für Ihre Werke schießen seit mehreren Jahren auf dem Kunstmarkt in die Höhe. Sehen sie das mit Freude oder Genugtuung?
Zero-Kunst ist heute Kunstgeschichte und hat ihren objektiven Stellenwert. Durch die Versteigerung der Sammlung Lenz wurde 2010 zum ersten Mal Zero-Kunst auf den Auktionsmarkt gebracht. Und seitdem gehen die Preise immer weiter in die Höhe. Gerhard Richter hat sich kürzlich in einem Interview von dieser ganzen Kommerzialisierung der Kunst auf Auktionen distanziert. Natürlich haben auch die Mack- und Zero-Ausstellungen Folgen. Andererseits wird mein Zero-Oeuvre immer kleiner, ich besitze nur noch relativ wenige Arbeiten. Ich werde sie nicht auf den Markt bringen. Ich wehre mich entschieden gegen einen Ausverkauf.

Ist das nicht ein schönes Gefühl, so viele Ausstellungen zu haben, in denen Ihr Werk in seiner ganzen Breite noch gezeigt wird?
Das bedeutet mir sehr viel. Es geht ja gar nicht nur um meine Person, sondern darum, dass diese Werke in einem bestimmten Kontext zur Kunst des 20. und des 21. Jahrhunderts stehen. Sie haben einen wichtigen Anteil an der Entwicklung der Kunst.

Angefangen haben Sie als Bildhauer. 1991 fingen Sie wieder an zu malen. Was mögen Sie lieber?
Im Grunde genommen beides. Ich habe einmal klar formuliert: Von allen Künsten kommt die Arbeit des Bildhauers der Arbeiterklasse am nächsten. Ich habe nicht viele Leute, die mir helfen, sondern nur einen einzigen Mitarbeiter in der Werkstatt. Und der ist ein gelernter Schreinermeister. Ich mache alles noch selbst.

Sie haben sehr viele Skulpturen auch für den öffentlichen Raum geschaffen.
Die Monumentalskulpturen spielen für mich eine große Rolle. Ich habe kostbare Lebenszeit darauf verschwendet, Kunst für den öffentlichen Raum zu machen - und ärgere mich heute noch schwarz, dass das nicht gepflegt wird.

Warum wird Ihre Kunst oft etwas abschätzig von Kunstkritikern als dekorativ bezeichnet?
Es ist eine spezifisch deutsche Eigenschaft, dass man sofort irritiert ist, wenn etwas schön oder dekorativ ist. Dazu sage ich sehr deutlich: Für mich ist das Wort Schönheit kein Tabu. Ich stehe dazu, dass Dinge schön sein können, und ich scheue mich nicht, Dinge zu machen, die schön sind. Eines der ältesten Kriterien von Kunst ist, dass ihr die Schönheit inhärent ist. Meine Freude am Begriff des Schönen ist auch eine Form von Opposition gegenüber der Hässlichkeit dieser Welt.

Sie haben mit Otto Piene 1957 Zero gegründet. Als Piene 2014 starb, was ging da in Ihnen vor?
Wir haben zusammen an der Kunstakademie studiert und hatten unsere Ateliers Wand an Wand. Günther Uecker ist erst vier Jahre später der Zero-Bewegung beigetreten. Wir haben uns mit allem Anstand respektiert. Und wenn es darum ging, für den anderen einzustehen, hat man das klar formuliert. Aber im Grunde genommen sind Künstler alle Einzelgänger. Die Entwicklung eines Künstlers ist vergleichbar mit einem Spaziergang durch die Wüste. Da steht kein Schild mit Himmelsrichtungen und Orten, da ist auch niemand, der sagt, ich laufe mit Dir. Da muss man allein durch.

Wie viele Stunden arbeiten Sie noch am Tag?
Sechs Stunden sind normal - auch samstags und sonntags. Aber auch wenn ich nicht in der Werkstatt bin, so geht im Kopf alles weiter.

ZUR PERSON: Heinz Mack wurde 1931 im hessischen Lollar geboren, er studierte Kunst und Philosophie in Düsseldorf und Köln. 1957 gründete er mit Otto Piene die avantgardistische Zero-Gruppe, der sich später Günther Uecker anschloss. Licht ist das zentrale Thema der abstrakten Kunst des mehrfachen Documenta- und Biennale-Teilnehmers. Bekannt sind Macks futuristisch wirkende Lichtreliefs, Lichtrotoren, Stelen und monumentale Skulpturen im öffentlichen Raum sowie seine abstrakte Malerei in Spektralfarben.