Fotografin Grafström über das Verbot ihrer Aktfoto-Schau

"Man wird angeschaut wie eine Perverse"

Während kommerzielle Unternehmen mit Bildern von perfekten Körpern werben, darf Aktfotografie in der Fußgängerzone nicht gezeigt werden. Das entschied jedenfalls die Kopenhagener Polizei. Die Fotografin Mathilde Grafström gibt sich damit nicht zufrieden

Die Zusage des Stadtrats hatte sie schon in der Tasche - und doch wurde Mathilde Grafströms Ausstellung nie realisiert. Die Polizei verweigerte ihr im Dezember 2015 die Genehmigung, ihre Akt-Fotografien in Kopenhagens Fußgängerzone zu zeigen. Nackte Menschen haben also im öffentlichen Raum nichts zu suchen? Wer soll hier eigentlich geschützt werden?

Wir sprachen mit der jungen, dänischen Fotografin über die moralische Empörung und die Darstellung weiblicher Körper in der Öffentlichkeit.

Frau Grafström, wie konnte die Polizei Ihre Ausstellung stoppen?
Um auf dem Nytorv Platz auszustellen, muss man sich beim Kopenhagener Stadtrat bewerben. Im Rahmen der Auswahl-Prozedur holt die Stadt dann bei der Polizei eine Genehmigung ein. Die Polizei war jedoch der Meinung, dass ich mit der Ausstellung meiner Bilder gegen das Gesetz verstoßen würde. Neben exhibitionistischen Handlungen ist aber auch Werbung verboten, die Frauen zu sexualisiert darstellt. Trotzdem fuhr sieben Jahre lang Reklame für Silikonbrüste auf Bussen durch Kopenhagen. Ich habe mich vor Kurzem darüber beschwert. Das war schädigend für junge Leute, diese Bilder von diesen künstlichen Brüsten jeden Tag zu sehen!

Diese Werbe-Bilder sollten Ihrer Meinung nach also abgenommen werden, weil sie nicht "natürlich" genug waren? 
Ich wollte einfach diese Doppel-Moral sichtbar machen. Die Polizei übersieht Werbung, die eigentlich schädigend und gegen das Gesetz ist. Meine Arbeit dagegen wird zensiert und als "illegal" bezeichnet. Dabei ist meine Message, dass man sich so lieben soll, wie man ist. Ich will nur zeigen, was natürliche Schönheit ist.

Was genau ist das für ein Platz, an dem Sie ausstellen wollten?
Der Nytorv Platz grenzt an eine große Einkaufsstraße mitten in Kopenhagen, wo regelmäßig Fotografie auf großen Leinwänden im öffentlichen Raum präsentiert wird. Jeder vorbeilaufende Passant kann sich die Arbeiten ansehen.

Und warum haben Sie nicht einfach gesagt: "Okay, dann zeige ich eben etwas anderes?" Mit angezogenen Menschen?
Nicht wirklich. Die Aktfotografien sind mein größtes Projekt. Ich wollte diese natürlichen Schönheiten den ganzen Bildern von superdünnen Models und PhotoShop-Manipulationen im öffentlichen Raum zur Seite stellen. Meiner Meinung nach ist das gegenwärtig ein großes Problem in Europa: Nacktheit ist auf einmal total provokativ! Am Strand hüllt man sich ein. Man sonnt sich nicht mehr oben ohne. Ich denke manchmal, wir sind wieder in den 50er-Jahren. Das gefällt mir nicht, und ich wollte was ändern.

Es gibt immer mehr Initiativen in Europa, Werbung mit nackten Frauen zu verbieten und Prostitution unter Strafe zu stellen. Man kann das als Schutz des weiblichen Körpers vor Missbrauch verstehen. Aber bevormundet man nicht damit die Frauen?
Ich habe das Gefühl, dass es eine Entwicklung in eine ganz falsche Richtung gibt. Wir werden unfreier in Bezug auf unseren Körper und verstecken uns immer mehr voreinander. Eine Sexualität zu haben, ist etwas Schlechtes. In den 80er-Jahren war das alles ein bisschen freier. Auch vor Kindern nackt zu sein, war kein Problem. Heute wird man angeschaut wie ein Alien, wie eine Perverse. Ich hatte eine Ausstellung in einem Schwimmbad in Kopenhagen, und Mütter beschwerten sich über die Fotos. Sie sagten, sie wären schädigend für die Kinder. Das Gegenteil ist der Fall!

Hat das etwas mit unserem Konzept von "Frau-Sein" generell zu tun? Was wäre anders, wenn Sie ein Mann wären oder nackte Männer fotografierten?
Schwer zu sagen. Ich werde ständig gefragt, warum ich keine Männer fotografiere. Ich glaube auf jeden Fall, dass vor allem Frauen Probleme mit ihrem Körper haben, weil sie irgendwie bewundert werden wollen, ihre sexuelle Anziehung sich aus ihrer natürlichen Schönheit speisen soll ... Dieses Thema ist für mich sehr wichtig, einfach weil ich selbst eine Frau bin. Deshalb fotografiere ich im Moment auch nur Frauen.

Und warum fotografieren Sie die immer nur in der Natur?
Weil beides natürlich ist. Der Körper und die Landschaft verschmelzen ineinander. Ich finde das sehr schön. Und es macht Spaß, draußen nackt zu sein.

Sie wollen den weiblichen Körper also schön und natürlich zeigen.
Ja. Schöne Bilder von ungeschminkten, unoperierten Körpern.

Warum ist es dann so ein Problem, diese "schönen" Körper im öffentlichen Raum zu zeigen? Die Werbung zeigt ja auch "schöne" Nacktheit, wenn auch sehr idealisiert. Würden Sie sagen, dass es nur legitim ist, Nacktheit zu zeigen, um damit Geld zu verdienen?
Vielleicht. Über diese Silikon-Werbung haben sich schon so viele beschwert, und sie wurde einfach nicht abgenommen. Sie verstieß anscheinend gegen kein Gesetz. Es ist, als würden meine Arbeiten irgendwelche konservativen Vorstellungen beleidigen, als würde die Polizei als moralische Instanz auftreten. Aber irgendwie geht es am Ende wohl doch um Geld. Wer Geld hat, darf sich so viel ausdrücken, wie er will.

Werden Sie die Aktfotos irgendwo anders ausstellen? In einem geschlossenen Galerie-Raum zum Beispiel? Das sollte ja kein Problem sein.
Gerade ist nichts geplant, ich habe gerade erst eine Ausstellung beendet. Aber ich hoffe, dass ich das Projekt im öffentlichen Raum durch die angestoßene Diskussion doch noch realisieren kann. Politiker beginnen, sich für mich einzusetzen. Darüber bin ich sehr erleichtert.