"Lichtmächte" von Dietmar Dath und Swantje Karich

Im Hellen sehen lernen

Viel Spott erntete Angela Merkel von selbst ernannten Netzverstehern für ihren Ausspruch „Das Internet ist für uns alle Neuland“. Der Satz war gar nicht so blöd, immerhin eignet er sich als stark verknappte Zusammenfassung von „Lichtmächte“, des ziemlich klugen Buches von Dietmar Dath und Swantje Karich. Mit der titelgebenden Metapher meinen die Autoren die sozialen Gruppen, die innerhalb der globalen Aufmerksamkeitsökonomie des Netzes Verteilungskämpfe führen, ihre Bild- und Datenregimes heißen „Facebook, Netflix oder Bundeskulturstiftung“.

Urteile darüber, was sich an diesen Kräften und Instrumenten als gut oder böse erweisen könnte, maßen sich Dath und Karich nicht an. In ihrem Denkmodell existieren nur (teils konkurrierende, teils kooperierende) „Lichtmächte“, eine dunkle Gegenseite fehlt. Die Autoren spekulieren auch nur am Rand über den möglichen Ausgang der digitalen Revolution: Entsteht ein „drückender, neuer digitaler Feudalismus“? Oder werden die „Lichtmächte“ zu Institutionen neuer Freiheit und Selbstbestimmung?

Fest steht für Dath und Karich, dass man mit den „Lichtmächten“ rechnen muss, dass sie Ökonomie, Gesellschaft und Kultur tiefgreifend verändern und dass die Rolle von Bildern gewaltig wächst. Pädagogischer Antrieb der Autoren, die beide nicht nur als „FAZ“-Kritiker, sondern auch als Hochschuldozenten arbeiten, ist die Förderung „visueller Kompetenz“. In einer Reihe von Essays und Dialogen blicken sie auf ihre Kerngebiete Film (Dath) und bildende Kunst (Karich). Sie analysieren mediale Entwicklungen, beschreiben den heiklen gegenwärtigen Zustand von Kino und Museum und üben Kritik an der Vorstellung – von Theodor W. Adorno, Guy Debord und ihnen folgenden Denkern –, der Gesichtssinn habe vor der Kraft der Wörter zurückzustehen.

Spätestens in ihren monografischen Betrachtungen der Werke von Marina Abramovic (Karich) und Ulrike Ottinger (Dath) wird aber deutlich, dass sich die Autoren in der Originalität ihrer Gedanken selten auf Augenhöhe begegnen. Vor allem Dath sorgt für das Lesevergnügen, spannt kühne Brücken zwischen Kino und Museum, schöpft das volle Spektrum zwischen Porno und Philosophie aus. Ein wichtiges Buch über ein noch mächtig unterbelichtetes Terrain.

Dietmar Dath, Swantje Karich: „Lichtmächte. Kino – Museum – Galerie – Öffentlichkeit“. Diaphanes, 272 Seiten, 24,95 Euro
Buchvorstellung am Montag, 11. November, um 20 Uhr im Hebbel am Ufer, Berlin