Neu in Berlin

Gekommen um zu bleiben

Die Düsseldorfer Sammlerin Julia Stoschek eröffnet die Berliner Zweigstelle ihrer Medienkunstsammlung

Offenbar hat auch Julia Stoschek irgendwann mal gern "Wir sind Helden" gehört. Der programmatische Titel ihres alten Hits "Wir sind gekommen, um zu bleiben" kam ihr jedenfalls sehr locker von den Lippen bei der Pressekonferenz zur Eröffnung der neuen Präsentation ihrer Sammlung zeitbasierter Kunst.

Bis Ende des Jahres wird die Julia Stoschek Collection in den Räumen im ehemaligen tschecheslowakischen Kulturinstitut an der Leipziger Straße, die zwischenzeitlich von dem Club Konzulat bespielt worden waren, bleiben – und am liebsten noch länger, entweder hier oder anderswo in der Hauptstadt, so sagte die Düsseldorfer Sammlerin heute. Das Rheinland muss sich jedoch keine Sorgen machen: Das Stammhaus in Düsseldorf bleibe bestehen, bekräftige Stoschek. Aber Berlin mit seinem großen internationalen Kunstpublikum sei gerade für die Kunst, die sie interessiere, die das Zeitgenössische ganz unmittelbar abbilde, ein guter Ort – und nicht zuletzt schätze sie die Nachbarschaft der Startup-Szene für ihre auf Medienkunst konzentrierte Sammlung.

Und zeitgenössisch ist es wirklich, was Stoschek in Berlin präsentiert – der Titel "Welt am Draht", einem gleichnamigen Science-Fiction-Film von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1973 entliehen, ist mit Abstand das Betagteste, was diese Präsentation zu bieten hat. Der überwiegende Rest der vielen Filme und wenigen Skulpturen und Installationen, die in den erkennbar rasch, aber effektiv und gestalterisch geschickt hergerichteten Räumlichkeiten zu sehen sind, stammt aus den letzten fünf Jahren, zahlreiche Neuproduktionen sind darunter. Die Ausstellung ist wie ein Best-of der Kunst der Digital Natives der letzten Jahre. Ob Wu Tsangs viel beachtete Videoinstallation "A Day In The Life Of Biss" mit der aggressiv-coolen, androgynen Performerin Boychild, Ed Atkins kalt melancholische Avatare in dem Video "Even Pricks", Timur Si-Qins irritierende Werbe-Leuchtbanner oder Cao Feis virtuelle Stadt auf Second Life, hier ist alles versammelt, was den Diskurs geprägt hat.

Die großzügigste Präsentation hat Ian Cheng bekommen, dessen videospielartige Arbeit "Emissary Forks At Perfection" von 2015 in dem holzverkleideten ehemaligen Kinosaal auf großer Leinwand gezeigt wird – es ist eine Livesimulation, ein virtuelles Ökosystem, das sich nach eigenen Gesetzen weiterentwickelt.  "Interfaces become our wheather", schreibt Britta Thie auf lange Stoffbahnen, die das obere Foyer verkleiden, und wie immer, weiß man nicht, wie selbstironisch die ewige Beschwörung der trendgeleiteten Jugend eigentlich gemeint ist. In ihren drei amüsanten "Infomercials" erweist sich Thie jedenfalls wieder als souveräne Bezwingerin der Werbeästhetik.

Extrem komplex und kunsthistorisch unterfüttert gibt sich dagegen Rachel Rose – auch ihre Karriere hob im vergangenen Jahr sehr plötzlich ab, und die beiden Filme, die Stoschek gleich von ihr eingekauft hat, "A Minute Ago" (2014) und "Palisades in Palisades" (2014), sind nicht mit einem Satz auf den Begriff zu bringen: Rose zoomt von Haut auf Landschaften auf Alte Meister, springt von der Totale ins Detail, bis alles Struktur wird, befragt Modernismen und lässt Idyllen per digitalem Effekt bröckeln. Das ist alles auf der Höhe der Zeit, aber das Gegenteil von trendig und lohnt die Zeit, die man mit den Filmen verbringt.

Überhaupt Zeit: Zwangsläufig ist so eine Versammlung von Videowerken eine Überforderung für den Besucher, man tut gut daran, sich seine Rosinen herauszupicken. Höchstwahrscheinlich ist der Parcours auch schon ein gutes Training für die Berlin Biennale, deren Pressevorbesichtigung morgen ansteht; nicht wenige Künstler, die auf Stoscheks Liste stehen, werden auch auf der Biennale zu sehen sein.

Doch abgesehen von der Biennale sind solche Werke in Berlin wohl nur in einzelnen Galerieausstellungen mal zu erwischen – insofern hat Stoschek Recht, wenn sie glaubt, dass in dieser Stadt für ihre Sammlung noch ein Platz frei ist. Und dass ihre Kuratorinnen nicht nur Hypes abbilden, sondern auch historisch unterfütterte, geradezu museale Medienkunstausstellungen einrichten können, haben sie ja in Düsseldorf schon zu Genüge bewiesen.