Richard Prince in Bregenz

Kompendium der Populärkultur

Peter Zumthors Museumsbau in Bregenz hat das so an sich: dass alles sofort sakral wirkt in der vornehm betonierten Dämmerung. Auch Richard Prince, der Großbankier des Trash, der American Pulp Fiction, der populären Erzählungen also. Der sich fürs Kunsthaus Bregenz gewissermassen fein gemacht hat. Er hat sich zum Beispiel im letzten Moment gegen die Gemälde aus seiner „Nurses“-Serie entschieden, diese kranken Schwestern von Kioskroman-Covern, dafür für James Joyce. Der konträr steht zu allem, was wir unter Richard Prince subsumieren: Cowboys, cars und girlfriends etwa.

„Untitled (Ulysses)“ heißt die Hommage des Büchersammlers Prince an James Joyce, es ist eine perfekte türkisfarbene Welle im zweiten Stock, aber nein, sie ist nicht nur eine Welle, die an den Strand des Stephen Dedalus gespült wird, sondern ein aufgeschlagenes Buch, koloriert in einer Farbe der Erstausgabe des „Ulysses“.  Ein meditatives, raffiniert seine Männerfantasien verbergendes Werk, bar jeder Schrift und jeden Bildes, genauso wie die drei dekonstruierten Mustangs, die davor stehen. Entkernte schwarze Fahrgestelle, für immer bewegungslos in einem Betonblock parkiert. Autoskelette eben, die Totenschädel des Richard Prince.

Ebenfalls sehr puristisch wirkt die glühend orangefarbene Pflanzschale im ersten Stock, so sehr Sonne kann ein nach innen gestülpter Autoreifen werden. Dann eine kaum entzifferbare Liebeserklärung an das diskursbildende amerikanische Serien- (und Film-)Wesen: zentimeterschmale Streifen von Showtime-Programmen, aufgeklebt auf eine riesige weiße Fläche. Ganz klein kann man da entziffern: „Homeland“, „Twilight“, „Masters of Sex“, „On the Road“. Die letzten beiden weisen auf die Jugendzeit von Richard Prince hin. Gerade von „On the Road“ hat er unzählige Sonderausgaben gesammelt. Auf einer andern weißen Fläche nichts als die Reproduktion eines leeren Schecks, der einmal Timothy Leary gehört hat, dem Hippie-Guru.

Von ähnlich viel Weißraum umgeben sind die Witze, die wiederum nicht von Richard Prince stammen, sondern von dem Komiker Rodney Dangerfield (1921-2004), dessen Archiv Prince gerade gekauft hat. Die Witze sind also gewissermassen legalisierte Appropriation Art. Leider zünden sie nicht, sie sind seltsam verstaubt und verschwiemelt. Nicht so cool wie der Rest von Princes Retro-Spielereien, die allesamt wirken, als hätte Tarantino eine Droge genommen, die vorübergehend einen äußerst abgeklärten Geist erlaubt.

Der altvertraute Prince, der findet sich in dem, was Tarantino „Pussy Wagon“ nennen würde, in zwei mit „Girlfriends“-Folien überzogenen Kultautos, einem Buick Grand National und einem 1986er Chevrolet El Camino. Girls with guns on cars, was gibt es Schöneres? Sexualisiert und  sexistisch, lasterhaft luxuriös, die Kürzestzusammenfassung des american dream eben. Marken, Mädchen und Motore. Und Musik. Die schleicht sich in Bregenz auch noch in dieses maskuline Kompendium der Populärkultur: Woodstock grüsst verspielt und ornamental von in sich mehrfach replizierten Plakatstreifen. Woodstock, wo auch Prince, wie so viele, die Schubkraft gigantomanischer Träumereien von Freiheit und Selbstbestimmung erfahren hat. Ob er sie lebt? Keine Ahnung. Aber, das zeigt Bregenz hervorragend, er hat sich zu ihrem Archivar gemacht. Und sichert virtuos ihre Spuren durch die amerikanischen Jahrzehnte.

"Richard Prince - It's a Free Concert", Kunsthaus Bregenz, bis 5. Oktober