Jahresrückblick

Künstler als Kinohelden

Beuys, Rodin, Giacometti: 2017 war das Jahr, in dem das Kino vor allem den männlichen Künstler als Helden entdeckte Für den furiosen Auftakt eines bemerkenswerten Künstlerfilmjahres sorgte "Beuys" auf der Berlinale. In die Kinos kam Andres Veiels dokumentarisches Biopic dann im Mai. Veiel nähert sich dem Künstler vor allem als politischer Figur, die vor allem in ökonomischer Hinsicht viel mehr zu sagen hatte als es seinen Zeitgenossen lieb war. Vor allem die Grünen profitierten erst von Beuys’ Nimbus und servierten ihr Gründungsmitglied dann ab.



Ebenfalls Berlinale-Premiere feierte das Kammerspiel "Final Portrait", das die Entstehung des letzten Gemäldes von Alberto Giacometti nachzeichnet. Regisseur Stanley Tucci, selbst erfolgreicher Schauspieler, besetzte die Giacometti-Hauptrolle mit Geoffrey Rush. Der Australier gibt den Maler als alten Zausel, der seinen Biografen James Lord (Armie Hammer) wochenlang bei Porträtsitzungen quält, die nicht enden wollen.

 

Besonders das französische Kino hält seine Künster-Heroen in Ehren. Im Fall von "Auguste Rodin" ist das Ergebnis aber leider arg oberflächlich geraten. Im Vordergrund steht die triebhafte Attitüde des Künstlers als Macho, für ein anspruchsvolles Künstlerporträt ist das viel zu wenig.

 

Èduard Delucs Film "Gauguin" ist das weitaus differenziertere Drama. "Gauguin" spielt fast ausschließlich in der Südsee, wo der französische Maler Paul Gauguin viele Lebensjahre verbrachte. Als Inspiration diente Deluc, der auch das Script schrieb, Gauguins halb fiktiver, 1897 erschienener Reisebericht "Noa Noa". Dort ist nachzulesen, dass der Maler sich keinen Illusionen über die Situation der Ureinwohner hingab. Die Maori waren längst kolonisiert, und obwohl er das vor Augen hatte, war Gauguin davon beseelt, selbst zum "Wilden" zu werden. Deluc zeigt in einer tragikomischen Szene, wie der Maler jedoch schon beim Fischfang scheitert. Indem Deluc zwischen Gauguins Selbststilisierung in der Vorlage "Noa Noa" und der wirklichen Figur und dem historischen Kontext zu vermitteln versucht, schwächt er die Überzeugungskraft seiner Geschichte. "Gauguin" zieht sich, es fehlt an Energie. Aber Vincent Cassel reißt den Film aus dem Mittelmaß. Der brennende Blick des Malers, sein Kampf gegen die Erschöpfung, aber auch seine Ausgelassenheit, wenn die Titelfigur am Strand mit den Einheimischen spielt: solche Nachbilder bleiben von "Gauguin".
 

 

Das Kino interessiert sich nicht mehr nur für die erfolgsverwöhnten Künstler, wie das Biopic "Maudie" zeigt. Sally Hawkins spielt darin die Folk-Art-Künstlerin Maud Lewis (1903-1970), die es zu bescheidenem Ruhm brachte. Gezeigt wird die Emanzipation der schwer von rheumatoider Arthritis geplagte Künstlerin von ihrer Familie, die sie unterdrückt. Die junge Maud zieht zu einem mürrischen Fischhändler und arbeitet bei ihm als Haushaltshilfe. Wenn sich Maudie ihre schäbige Umgebung mit Farben verschönert, kann man diese Sublimation des Elends als reaktionär kritisieren. Aber unter dem Strich überzeugt Sally Hawkins mit ihrer Darstellung einer Frau, die ihre eigene künstlerische Sprache findet und sich nicht unterkriegen lässt.

Fast ein Jahr nach "Paula – mein Leben soll ein Fest sein" um die Malerin Paula Modersohn-Becker und bevor es mit dem neuen Van-Gogh-Film "Loving Vincent" (Kinostart: 28. Dezember) und "Julian Schnabel" (Kinostart: 11. Januar) weitergeht, steht erst jetzt wieder eine Künstlerin im Mittelpunkt eines Films. Immer noch dominieren die Männer. Die Filmgeschichte wird in den kommenden Jahren einiges aufzuholen haben.