Buñuel neu interpretiert in München

Kunst, wo ist dein Stachel?

Frei nach Buñuel: Tobias Zielony, Chicks on Speed, M+M, Keren Cytter, Julian Rosefeldt und John Bock erzählen in der Münchner Villa Stuck einen surrealistischen Filmklassiker neu und anders

Mit seinem Film „L’âge d’or“ („Das goldene Zeitalter“, 1930) wollte Luis Buñuel den Skandal und bekam ihn. Das surrealistische Werk um anarchische Liebe, voller Breitseiten gegen Katholizismus und Bürgertum, war bis 1981 verboten. Mit Doku-Szenen von Skorpionen beginnt der Film, und auch strukturell ist er vom sechsgliedrigen Körperbau der Tiere inspiriert, inklusive des giftigen Stachels: Ein kurzes Finale zeigt Jesus Christus als Mitwirkenden einer desadeschen Orgie mit tödlichem Ausgang. Das provoziert noch heute.

Jetzt präsentieren M + M (Marc Weis und Martin De Mattia) unter dem Titel „Der Stachel des Skorpions“ einen Parcours aus sechs Filmen frei nach „L’âge d’or“, für die sie mit namhaften Künstlern zusammengearbeitet haben. Die für jeweils einen Film Verantwortlichen sahen das Gesamtwerk erst am Ende der Produktion – entsprechend der surrealistischen „Cadavre exquis“-Methode.

Während Tobias Zielony einen sechsminütigen Prolog mit einer Gruppe von Palästinenserinnen (und Skorpionen aus Papier) drehte, weitete John Bock den Schlussteil auf 40 Minuten aus. Der Künstler zeigt in einer „ziemlich obszönen Fantasie“ (Marc Weis) den Marquis de Sade selbst als Sterbenden. Chicks on Speed präsentieren ihre Version der buñuelschen Banditenszene, M + M drehten den Beginn der Amour fou mit einer Nachtsichtkamera, Keren Cytter versetzt das Paar dann in einen texanischen Saloon, in Julian Rosefeldts Beitrag irren die Liebenden durch ein skurriles Berlin der 30er. Ein Verbot des filmischen Ausstellungsprojekts ist unwahrscheinlich – Aufmerksamkeit wird es aber garantiert erregen.

Museum Villa Stuck, München, 28. März bis 9. Juni (Eröffnung: am Donnerstag, 19 Uhr); Institut Mathildenhöhe, Darmstadt, 22. Juni bis 5. Oktober. Infos: www.mm-art.de