New Yorks neues Galerienviertel

Next Stop: Bushwick

Ein perfekter Ort für Künstler und Galerien: Rundgang durch Bushwick, New Yorks neues Kunstviertel

Man sagt, Brooklyn sei das neue Manhattan, Queens das neue Brooklyn und Manhattan das neue Queens. So gesehen, ist Bushwick gerade deshalb so toll, weil es so weit draußen im Osten, an der Grenze zwischen Brooklyn und der Arbeitervorstadt Queens liegt. Die alten Lagerhallen und Straßen voller Schlaglöcher lassen an Williamsburg denken, bevor das Viertel seine dramatische Veränderung in Richtung Hipster-Einheitsbrei erlebte. Da Bushwick auf einem Hügel liegt, zeichnet sich die Skyline Manhattans schön wie sonst nirgendwo in Brooklyn am Horizont ab. Ein perfekter Ort für Künstler und Galerien.

Obwohl die "New York Times" Bushwick vor ein paar Monaten als zweites Galerien-Viertel nach Chelsea in Manhattan ausgerufen hat, hinkt dieser Vergleich dann doch beträchtlich. Bushwick ist weit davon entfernt, ein leicht zugänglicher Kunst-Supermarkt zu sein. Da die meisten der Galerien unregelmäßige bis sporadische Öffnungszeiten haben und relativ weit voneinander entfernt liegen, will eine Tour durch das Viertel wohl geplant sein.
 
Eher enttäuschend ist zunächst vor allem ein Besuch des unzweifelhaften Zentrums der Bushwicker Szene, einer umfunktionierten Fabrikhalle in der Bogart Street 56, in unmittelbarer Nähe der Szene-Pizzeria Roberta’s und der L-Train-U-Bahn-Station. Mit Momenta Art und Agape Enterprise sind in dem Gebäude zwar zwei der mit interessantesten jungen Galerien New Yorks ansässig, das Gros der mittlerweile hier vertretenen Galerien ist aber auf unangenehme Weise zu bunt und zu kunstig. Oder, vielleicht schlimmer: Sie geht in die Richtung Innendesign.

Kein Wunder, dass sich die Galerie Interstate Projects von Tom Weinrich, der damals die erste Galerie in der Bogart Street 56 betrieb, vor ein paar Wochen aus dem Gebäude verabschiedet hat. Sie zog ein paar Straßen weiter Richtung Norden – in die Knickerbocker Street 66, gleich gegenüber der Bushwicker Dependance der auch in Chelsea ansässigen Galerie Luhring Augustine in Hausnummer 25. Man kann also davon sprechen, dass sich hier glücklicherweise ein zweites Zentrum der Bushwicker Szene herauszubilden beginnt.

Luhring Augustine zeigte diesen Sommer – kurz vor der Sommerpause – Charles Atlas’ digitale Videoinstallation "The Illusion of Democracy". Interstate Projects hält dagegen die naheliegende Achse Neukölln-Bushwick hoch. Eine der ersten Veranstaltungen in der neuen Location und die letzte vor der Sommerpause bestritt die Berliner Künstlerin Rachel de Joode, die unter anderem Künstler aus Neukölln eingeladen hat, Skype-Performances beizusteuern – darunter einige New Yorker auf Sommerfrische zwischen Landwehrkanal und S-Bahn-Ring. Ein weiterer Höhenpunkt gleich um die Ecke ist die Storefront Gallery in der Wilson Avenue 6, deren Macherin Deborah Brown als so etwas wie die Organisatorin der Bushwicker Szene gilt. Eine Mitarbeiterin der Galerie unterhält zudem den praktischen Blog Bushwick Daily.

Die beiden bekannteren Galerien weiter südlich der Knickerbocker Street, Scholes 139 an der gleichlautenden Adresse und – wieder eine Dependance einer Galerie aus Manhattan – Kesting/Ray in der Boerum Street 257 haben nur sporadisch geöffnet. Scholes 139 ist für Netz- und Medienkunst bekannt. Das Gebäude von Kesting/Ray gilt eher als Wohnung der Galeristen mit angeschlossenem Projektraum.

Sonnenuntergänge über Manhattan
Mit am interessantesten ist die Bushwicker Szene dort, wo sie nicht mehr in Brooklyn, sondern in Ridgewood, Queens liegt. Etwa stellt in der Galerie Valentine ein wegen hoher Mieten aus Williamsburg geflüchteter Künstler in der Seneca Avenue 464 neben seinem Studio wechselnde Kollegen aus. Und besonders in dem alten Lagerhaus in der Troutman Street 1717 findet man die neuen Namen der Gegend: Die Galerie Regina Rex, die erst vor einem Monat hier eröffnete, und Parallel Art Space.

Während es bei Parallel Art Space mit einer Ausstellung der Buhfrau aus der TV-Castingshow "Work of Art", Judith Braun, derzeit Dinge zu sehen gibt, die man lieber nicht gesehen hätte, zeigt Regina Rex eher unbekannte, aber dafür interessante Künstler. Die Barbecues der Galerie auf der Terrasse des Gebäudes sind legendär. Beim Betrachten des Sonnenuntergangs über Manhattan wird klar: Die Bushwicker Szene mag künstlerisch durchwachsen und touristisch unzugänglich sein, hat aber so fantastische Orte zu bieten, dass sich die bis zu einstündige Anfahrt von Manhattan aus lohnt.