Diskussion "Zur Lage des Feminismus" in Berlin

Der uneingeladene Gast

Gestern Abend im Haus der Berliner Festspiele konnte man eines der größten Probleme des Feminismus langsam aber sicher auf die Bühne schleichen sehen. Es setzte sich wie ein fünfter ungebetener Gast neben Laurie Penny, Mona Elthawy, Josephine Decker und die Moderatorin Priya Basil und hörte ihrem Gespräch "Zur Lage des Feminismus" mit jener Häme zu, die einen nur überkommt, wenn man ein Arschloch leiden sieht: Jetzt schaufelt der Feminismus mal wieder sein eigenes Grab, sagte das Problem schadenfroh. Es war kaum auszuhalten.

Eigentlich war alles zwar vorhersehbar, aber sehr gut abgelaufen. Jeder der drei Podiumsgäste gab ein kurzes, lautes, bestimmtes Statement ab, und dann wurde mit applaudierendem Zuspruch aus dem Publikum über die Arbeit diskutiert, die die Aktivistinnen Penny und Elthaway seit Jahren leisten (Penny etwa mit ihrem jüngsten Buch "Unsagbare Dinge"), sowie die Filme "Butter on the Latch" und "Thou Wast Mild and Lovely" gewürdigt, die Decker dreht. Bis diese Parolen in den Raum geblasen wurden, die nicht alles, aber für den Moment etwas kaputt machten. "Mir ist es scheißegal, was Männer denken und fühlen", lautete eine davon, und sie wurde ziemlich oft wiederholt. Zwar versuchte Josephine Decker, die Diskussion vor einem Feindbild zu bewahren, mein Sitznachbar aber verlor spätestens hier die Beherrschung. "Das klingt echt wie in den 70er-Jahren", grummelte er vor sich hin und wäre am liebsten gegangen.

Als Frau kann ich lachen über diese Aussage auf einer Berliner Bühne und die politische Funktion verstehen, die solch eine Haltung in einer Gesellschaft einnimmt. Elthaway, ihr letztes Buch fragt im Buchtitel "Warum hasst ihr uns so?", setzt sich für die Selbstbestimmung der Frau in ihrem Heimatland Ägypten ein. Dort sitzen, wie sie es ausdrückt, überall Mubarak-Vertreter – im Staat, auf der Straße und im Haushalt, wo Frauen unterdrückt, beschnitten und missbraucht werden. Nur wenn jemand laut ist, trauen sich andere zu sprechen. Andere allerdings, etwa meinen Sitznachbarn, führen sie offenbar zu dem, was politische Bewegungen leider zugrunde richtet: einem Feindbild.

Mit diesem konnte er sich nicht identifizieren, schließlich ist auch er für Gleichberechtigung und Chancengleichheit und so. Also wird die ganze Sache an sich in Frage gestellt: "Heute ist es doch völlig anders. Schau dich doch mal um: Ich kenne keine Frau, die sich in ihrem Sex- oder Arbeits- oder Privatleben einschränken lässt", wird dann gesagt. Oder: "Auch Männer erleben Diskriminierung." Man ist nur noch dabei, sich rhetorisch abzugrenzen, anstatt das zu tun, was nötig wäre: sich zu solidarisieren und das Unrecht zu bekämpfen, das Frauen widerfährt. Anlass dazu gab es genug. Vor allem von Josephine Decker.

Genau wusste niemand, was der Filmemacherin zugestoßen ist. Es brachte sie jedenfalls gestern Abend auf der Bühne zum Weinen. Sie konnte und musste wie ich und viele andere junge Frauen und Männer verdammt noch mal dabei zusehen, wie ihr eigenes Gefühl sie überholte, kilometerweit vorwegrannte und sie sprachlos allein und sich selbst überließ. Irgendein Regisseur hatte sie, erzählte sie, da bei der Arbeit ... naja, Sie wissen schon.

Das Problem ist, dass Frauen das in der Regel schon wissen. Viele Männer hingegen offenbar nicht. Auch wenn sie sich mit ihren Geschlechtsgenossen nicht identifizieren können, es braucht nur ein wenig Vorstellungskraft und Gehör, um zu sehen und zu hören, was da draußen ununterbrochen und vielleicht und Gott sei Dank außerhalb der eigenen Kreise passiert. Dagegen vorzugehen kann nicht nur Aufgabe von Frauen wie Penny oder Elthaway bleiben, es muss im Gegenteil gerade von denen bekämpft werden, die es nicht angeht.