5. Thessaloniki-Biennale

Raues Klima am Mittelmeer

Die fünfte Thessaloniki-Biennale zeichnet eine Geografie der Krise

"Die Herausforderung der Moderne ist es, ohne Illusionen zu leben, ohne desillusioniert zu werden." Der italienische Marxist Antonio Gramsci notierte diesen Satz in einem seiner berühmten "Gefängnisbriefe", die er ab Ende der 20er-Jahre verfasste. Zum krisengeschüttelten Süden Europas passt er heute perfekt. Dass ihn Katerina Gregos in das kuratorische Statement der 5. Thessaloniki-Biennale geschrieben hat, ist bezeichnend: Die 1967 in Athen geborene Kuratorin greift gern in den Glutkern politischer Konflikte.

2005 organisierte sie mitten in der Pufferzone, die Zypern in zwei Teile trennt, eine Ausstellung. Fast zeitgleich mit der griechischen EU-Ratspräsidentschaft prangerte die radikaldemokratische Wahlbrüsselerin vergangenes Jahr im Bozar-Kunstpalast mit "No Country for Young Men" die Folgen der Austeritätspolitik in ihrem Heimatland an. Und als Kuratorin des belgischen Pavillons lässt sie auf der diesjährigen Venedig-Biennale eine multinationale Truppe den Fetisch "nationale Repräsentation" auseinandernehmen.

Thessaloniki, der multikulturelle Knotenpunkt am Thermaischen Golf, ist der ideale Ort für Gregos’ Idee, "das Mediterrane" zu vermessen. 44 Künstler aus 25 Ländern sollen das Klischeebild des Pittoresken aufbrechen, das der Mittelmeerregion wie Pech anheftet. Nick Hannes lichtet sie in seiner Fotoserie "Mediterranean. The Continuity of Man" (2010–14) von Monaco bis Gaza ab. Thomas Weinberger karikiert in seinen Inkjetprints abstrahierter Sonnenuntergänge die Ikonologie der Tourismusindustrie. Und Mounir Fatmi macht in dem Video "History is not mine" (2013) eine mit Hämmern traktierte Schreibmaschine zum Symbol politischer Indoktrination.

"Between the Pessimism of the Intellect and the Optimism of the Will" hat Katerina Gregos, im Nebenberuf künstlerische Direktorin der Messe Art Brussels, ihre Biennale betitelt. Schwer zu sagen, ob Gramscis unsterbliches Motto als Überlebenstugend für Krisenzeiten taugt. In Bertille Baks Kurzfilm "Faire le mur" (2008), ebenfalls in Thessaloniki zu sehen, verlassen die Bewohner einer heruntergekommenen französischen Kleinstadt ihre Heimat kollektiv – sie fürchten, dass sie aufgrund der Modernisierung unerschwinglich wird.