Ausstellung in Frankfurt

Redaktion: Warhol

Heute würde sich niemand mehr über Nacktfotos von Madonna aufregen. Höchstens ein Schnappschuss der nackten Bundeskanzlerin oder Präsidentenfrau könnte noch moralische Einwände hervorrufen. Vor 20 Jahren war das anders. Als 1985 Nacktbilder von der Popsängerin auftauchten, empörte sich die "New York Post" und präsentierte die Aufnahmen als Skandal.

Nur Andy Warhol und Keith Haring erkannten, dass nackte Busen kein Anlass für Furore waren: Sie malten die Zeitungsseite kurzerhand zartgrün an, setzten einen rosa Rahmen drum herum, zeichneten ein Herzchen um Madonna, ließen dieses von Harings kleinen Strichmännchen auf Händen tragen und titelten: "MADONNA ON NUDE PIX: SO WHAT!"

Ab Samstag zeigt das Museum für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt die Ausstellung "Warhol: Headlines". Und um gleich die Frage auszuschlagen - was in aller Herrgottsnamen denn noch nicht von Warhol gezeigt wurde? Diese Ausstellung präsentiert Warhol als Künstler und Grafiker, ja. Aber eben auch als Redakteur und Lektor: Nachrichten über den Kennedy-Mord, Flugzeugabstürze oder Hollywoodstars - Warhol redigierte, gestaltete, kopierte und korrigierte unzählige time capsules, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Vier Jahre Forschung stecken in dieser Ausstellung, sagt Kurator Mario Kramer. In hunderten Umzugskisten aus dem Nachlass, die im Warhol-Museum in Pittsburgh aufbewahrt werden, (den sagenumwobenen time capsules, den "Zeitkapseln") förderten Wissenschaftler die Originale jener Zeitungsseiten zutage, die Warhol künstlerisch bearbeitet hat. In der Ausstellung könne man erstmal die Vorlagen (in Vitrinen) und die Bilder (an der Wand) vergleichen. "Interessant ist nicht nur, was er auswählte, sondern auch, wie er es verfremdet", erklärt der Kurator. "Was betont er? Was lässt er weg? Was verändert er?"

Die ewigen Themen des Boulevards
Die Ausstellung wurde zuvor bereits in der National Gallery of Art in Washington gezeigt. Wenn Mitte Mai in Frankfurt abgebaut wird, wandert sie weiter nach Rom und nach Pittsburgh. Zu sehen sind mehr als 100 Gemälde, Zeichnungen, Drucke, Fotografien, Skulpturen und Videos des 1928 geborenen und 1987 gestorbene Künstlers. Die Exponate stammen von 27 verschiedene Institutionen - sie wurden in speziellen Transportkisten verschickt, in denen das Klima 24 Stunden lang konstant bleibt.

 Besonders fasziniert war der Pop Art-Künstler von den ewigen Themen der Boulevard-Medien: Stars, Tod und Katastrophen. Er verewigte Liz Taylor und Brigitte Bardot, Superman und Popeye. Er zeigte Hinrichtungen auf dem Elektrischen Stuhl, Autounfälle oder Flugzeugabstürze. Warhol untersuche darin "auf radikale Weise die gesellschaftliche Rolle der Massenmedien und die Diskrepanz zwischen 'Warenwert' und 'wahrem Wert' eines Kunstwerks", schreibt MMK-Direktorin Susanne Gaensheimer im Vorwort des Katalogs.

Historienbilder des 20. Jahrhunderts
Eines der zentralen Werke der Ausstellung gehört dem MMK: "Daily News" von 1962. 50 Jahre nach seiner Entstehung trifft das Bild wieder auf die zeitgleich entstandenen Arbeiten "A Boy for Meg" und "129 Die in Jet", die in Washington und Köln ausgeliehen wurden. Sie alle sind ins Gigantische vergrößert: Liz Taylors Ehekrieg, der Nachwuchs einer Prinzessin, ein Flugzeugabsturz in Paris - dank der Medien überlebensgroß. Aus Tagesnotizen habe Warhol "Historienbilder des 20. Jahrhunderts" gemacht.

   Die ersten "Schlagzeilen"-Bilder malte er noch frei mit der Hand. Bald versuchte er, das Bild wie gedruckt aussehen zu lassen. Später ging er zu Druckverfahren über. Bei manchen Bildern baute er Fehler ein, bei anderen tauscht er Fotos aus, Weltpolitik rutscht als Randnotiz in die Ecke, während das Zentrum des Bildes von Schlussverkaufs-Werbung dominiert wird. Ein Medienkritiker war Warhol dennoch nicht, meint Kramer, nur ein genauer Beobachter, mit seiner Kunst aber "entlarvt er den Etikettenschwindel mancher Schlagzeile." (monopol/dpa)

MMK - Museum für Moderne Kunst, Frankfurt, 11. Februar bis 13. Mai 2012. Eröffnung am Freitag um 20 Uhr