Friedl Kubelka vom Gröller

Schlummerndes Werk

Friedl Kubelka vom Gröller arbeitet seit über 40 Jahren als Künstlerin, sie bekam den Österreichischen Staatspreis für ihr fotografisches Werk und gründete eine eigene Fotoschule. Trotzdem ist die Wienerin nur Insidern bekannt. Nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag gibt es über sie. Endlich erscheint eine Monografie, die auch bisher unveröffentlichte Fotos und, auf einer beigelegten DVD, ihre Filme enthält.

Kubelka, 1946 in London geboren, ist eine unermüdliche Beobachterin ihrer selbst und anderer. Ihr Spektrum reicht von Pin-up- und Modefotografie (von Magazinen als „zu radikal“ abgelehnt) bis zu intimen Erkundungen ihres Freundeskreises. Dazu hat sie die Methode des Tagesporträts entwickelt – alle halbe Stunde ein Bild, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Für ein Porträt begleitet sie ihren damaligen Ehemann, den österreichischen Experimentalfilmer Peter Kubelka, von halb zehn morgens bis halb sechs in der Früh.

Ihre Selbstporträts sind meist ernst, aber nicht ohne Witz. Wenn sie in Dessous posiert, ist immer auch die Kamera mit im Bild. „Selbstermächtigung“ nennt sie das in einem Gespräch mit Dietmar Schwärzler, dem Herausgeber des Bandes. „Mit nackten Männern war es schwer, ich wusste nicht, wie ich sie arrangieren soll, damit es funktioniert. Mit Frauen ging das wie von selbst. Ich wollte, dass sie sich sicher fühlen. So kann Fotografie auch eine Art Geschenk sein.“

In den 70er-Jahren begegnet sie Filmkünstlern wie Jonas Mekas, Michael Snow, Jack Smith, Kenneth Anger oder Nam June Paik und porträtiert sie zurückgenommen in Schwarz-Weiß.

Genau wie ihre Fotografien zeugen auch ihre Kurzfilme immer wieder von der Auseinandersetzung mit dem Gegenüber. Das 16-mm-Stummfilm-Format, der Kameraschnitt, die statischen Einstellungen von Gesichtern und die Interaktion während der Aufnahme erinnern an Andy Warhols „Screen Tests“. Meist gelingt es ihren Darstellern, ernst und ruhig zu bleiben – nur Franz West muss sich das Lachen verkneifen. Friedl Kubelka vom Gröller selbst kommt in dem lustig-charmanten Film „Passage Briare“ von 2009 vor, mit Zahnlücke.

Das Buch ist eine beeindruckend bebilderte Retrospektive. Zwei Essays zu Leben und Werk begleiten die Fotos und Filme, interessanter ist aber das Gespräch zwischen dem Herausgeber und der Künstlerin: eine Reflexion über Einsamkeit und Entfremdung, über den Wunsch, beachtet zu werden, über Depressionen, Humor und die Suche nach Identität.

Dietmar Schwärzler (Hrsg.): „Friedl Kubelka vom Gröller: Photography & Film“. Auf Englisch. JRP Ringier, 368 Seiten, DVD beigelegt, 40 Euro