Reiner Ruthenbeck in London

Stiller Krawall

In der Serpentine Gallery in London kegelt Reiner Ruthenbeck effektvoll Möbel durch den Raum

In Großbritannien, wo der Eintritt in die Museen zumeist nichts kostet, diskutiert ein viel breiteres Publikum über Kunst als hierzulande. Zeitungsleser lassen sich sogar auf Reiner Ruthenbeck ein – im Vergleich mit den krawalligen Young British Artists ist der Deutsche ein doch eher trockener Künstler. Besucher von Ruthenbecks Schau in der Serpentine Gallery kommentierten in Leserbriefen vor allem seine Installation "Umgekippte Möbel": Haben die Enkel die Stühle, den Tisch, das Sofa umgeworfen, oder sind wir an einem Tatort? "Ich habe es zu Hause ausprobiert", schrieb jemand dem "Daily Telegraph", "aber es stellte sich heraus, dass meine Frau solche künstlerische Leistung nicht würdigen kann.“

Sehr witzig! "Umgekippte Möbel" ist über 40 Jahre alt, und Ruthenbeck wollte damit weder provozieren noch lustig sein. Nicht nur in dieser Arbeit geht es ihm um die Schönheit alltäglicher Objekte und einen neuen Blick auf sie. Die Reaktionen auf die Installation zeigen, wie effizient der heute 77-Jährige Wirkung herstellen kann. Immer noch.

In der Ausstellung lässt sich die Faszination für Materialien und bestimmte Formen erkennen: zusammengeknülltes Papier, Schlacke und Asche, zu kniehohen Kegeln angehäuft, kastenförmige Gerippe aus Metallstangen, Faltenwurf aus weinrotem Tuch. Was zunächst nach möglichst großer Reduktion im Sinne der Minimal Art aussieht, nach Strenge und Anstrengung, enthält doch meist einen narrativen Kern: augenfällig bei "Umgekippte Möbel", aber auch in den "Möbel" genannten Kisten, die den Raum in eine Art Bühne verwandeln.

Erstaunlich, dass die britischen Leserbriefschreiber nicht die Germanness der Schau hervorhoben. Ruthenbeck machte im Umfeld von Joseph Beuys und der Zero-Gruppe in Düsseldorf seine ersten Schritte als Künstler, viele Materialien lassen an Beuys denken, an den Staub der Industrieregion zwischen Rhein und Ruhr. Und sein "Aufhellungsversuch“ von 2004 – Scheinwerfer bestrahlen ein schwarzes Quadrat an der Wand – erinnert an die Lichtexperimente von Otto Piene und Heinz Mack. Ruthenbeck stand international immer etwas im Schatten, diese Schau – ein erster umfassender Überblick in Großbritannien – ist selbst so etwas wie ein Aufhellungsversuch. Überfällig.

"Reiner Ruthenbeck", Serpentine Gallery, London, bis 15. Februar