James Bridle im Interview

Kommt das Streusalz-Verbot für die Straßen der Zukunft?

Der britische Künstler James Bridle streut Salz auf die Straße und bringt selbstfahrende Autos zum Stehen. Wir sprachen mit ihm über Autonomie in Zeiten der Digitalisierung

James Bridle, haben sich bei Ihnen die Hersteller selbstfahrender Autos gemeldet?
Ich wurde von vielen Automobilfirmen kontaktiert, aber ich denke, die kommen auch ohne meine Hilfe gut zurecht.

Ihre Arbeit "Autonomous Trap 01" zeigt, wie einfach man ein selbstfahrendes Auto austricksen kann. Mit einem simplen Salzzirkel, in den das Auto hineinfährt, dann aber darin stehen bleibt und nicht mehr herauskommt. Hätten Sie gedacht, dass das so einfach wird?
Die visuelle Falle für das Auto besteht darin, dass Straßenmarkierungen nachgeahmt werden. Sowohl Mensch als auch Auto sind an solche visuellen Reize gewöhnt. Die Arbeit zeigt aber gut, dass eine für den Menschen offensichtliche Information von einer Maschine schnell falsch eingeordnet werden kann. Andersherum können Menschen Informationen nicht lesen, die die Maschine sofort erkennt. Auch wenn meine Arbeit nach Widerstand aussieht, ist sie genauso ein Appell für Kooperation statt für Wettbewerb.

In Ihren Arbeiten setzen Sie sich mit Überwachung und Digitalisierung auseinander. Warum ist es wichtig, sich mit Vorhersage-Technologien und Automatisierung zu beschäftigen?
Technologie ist ein Mittel, durch das sozialer und politischer Wille Ausdruck findet. Eine Technologie selbst ist weder gut noch schlecht – aber gleichzeitig niemals neutral. Vorhersage und Automatisierung sind die am meisten genutzten Netzwerk-Technologien. Ihre sozialen Effekte sind immens und nicht zu überblicken. Natürlich bringen die Technologien unglaubliche Freiheiten mit sich. Nur werden uns diese Möglichkeiten wenig bereitgestellt, zumindest nicht, ohne dass wir großzügig unsere Daten dafür freigeben. In vielen meiner Arbeiten ist Widerstand eine essentielle Form der Handlungsfähigkeit. Ich denke, es ist wichtig, gewisse Strategien des Widerstands zu kennen, nur für den Fall, dass sie notwendig werden.

2014 arbeiteten Sie an dem Projekt "The Right To Flight", für das Sie einen riesigen Überwachungsballon in den Himmel über London steigen ließen. Die entstandenen Videos haben Sie öffentlich zugänglich gemacht. Halten Sie diese offensichtliche Überwachung für die richtige Strategie des Widerstands?
Ich wollte die Überwachung deutlich sichtbar machen. Was ich aber feststellen musste: Es ist nicht sinnvoll, Überwachung durch mehr Überwachung zu kritisieren. Vielmehr wird das Kritisierte durch die Nachahmung normalisiert. Ich bin nicht sicher, ob Bewusstmachung und Widerstand das Gleiche sind. Aber Widerstand muss nicht heißen, etwas zu verhindern. Es kann auch etwas Unlogisches oder schlechte Absichten aufzeigen.

Sie kritisieren, dass wir durch die neuen Technologien an Autonomie einbüßen. Ist es nicht auch eine Form der Autonomie, wenn ich mich dafür entscheiden kann noch ein Glas Wein zu trinken, ohne mir Gedanken um meine Fahrtüchtigkeit machen zu müssen?
"Neue Technologien" heißt nicht, was wir denken: Da wird uns etwas auf dem Silbertablett serviert und wir können es nicht beeinflussen. Wir können eine Reihe von Entscheidungen treffen. Ich weiß nicht, ob die Möglichkeit zu trinken und zu fahren etwas mit Autonomie zu tun haben. Es ist eine Annehmlichkeit. Eine, die ich gerne nutze, aber nicht um den Preis von  Arbeitslosigkeit, Überwachung und der Auflösung eines Gesellschaftsvertrages.

Sie nutzen also keine neuen Technologien?
Ich nutze sie jeden Tag! Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten. Viele von uns sind umgeben von Möglichkeiten, die für vorige Generationen unvorstellbar waren. Obwohl wir alle mit neuen Technologien zu tun haben, werden ihre Vorteile die meisten von uns nicht betreffen. Und mit Vorteilen meine ich nicht Trinken und Fahren, ich meine die Möglichkeit, diese Welt wirklich zu verstehen und zu formen. Und diese Möglichkeit ist allen Technologien immanent.