Sammlerpaar Ketterer

"Uns treibt die Kunst an sich"

Das Schweizer Sammlerpaar Carola Ertle Ketterer und Günther Ketterer zeigt ihre Videosammlung auf der Kunstmesse Art Karlsruhe, die am Donnerstag beginnt. Der größte Vorteil dieses Mediums? Man kann es ausschalten, verraten sie im Monopol-Gespräch.
 
Gemälde kann man an Wände hängen, Skulpturen aufstellen. Wie lebt man mit Medienkunst?
Carola Ertle Ketterer: Wir projizieren Videokunst auf Wände und Böden, zeigen sie auf Bildschirmen oder als Skulptur. Das hat im Vergleich zu konventionellen Sammlungen viele Vorteile: Man kann eine Präsentation leichter austauschen als bei einer Leinwand, hat einen geringen Lageraufwand – und manchmal bleibt ein Monitor auch aus, was das bewusste Sehen fördert, wenn er wieder läuft.
 
Viele Sammler schätzen die Aura der Einzigartigkeit des Originals. Was reizt Sie daran, gerade Videokunst zu sammeln?
C.E.K: Uns treibt nicht das Besitzen an, sondern die Kunst an sich. Deshalb ist die Einzigartigkeit nicht von zentraler Bedeutung.
 
Herr Ketterer, Sie entstammen einer Familie von Kunstsammlern und -händlern. Gab es für Sie persönlich eine Initialzündung?
Günther Ketterer: In meiner Familie drehte sich immer alles ganz selbstverständlich um die Kunst. Schon als kleines Kind trank ich meinen Schoppen unter der „Zirkusreiterin“ von Ernst Ludwig Kirchner und war fasziniert von dieser rosaroten, nackten Frau und der speziellen Perspektive. Und es ist sicher kein Zufall, dass sich das Motiv in der 3-D-Animation „HOMMeAGE“ von Franziska Megert in unserer Sammlung wiederfindet.
 
Sie sammeln eine sehr vergängliche Kunst. Wie archivieren Sie die Werke?
G.K.: Die Künstlerinnen und Künstler, deren Werke wir sammeln, leben noch, sodass wir im Notfall auf die Masterkopie zurückgreifen können. Aber wir sind uns der Problematik der Erhaltung sehr bewusst und verfolgen genau, was die Archiv- und Restaurationsexperten an der Hochschule der Künste Bern und dem ZKM Karlsruhe empfehlen.
 
Die meisten Ihrer rund 70 Werke stammen von Schweizern, Sie selbst leben in Bern. Wie kommt es, dass Sie Ihre Sammlung jetzt auf der Art Karlsruhe zeigen?
C.E.K.: Wir haben unsere Videokunstsammlung Ende 2009 im Künstlerhaus Progr in Bern gezeigt. Diese von dem Berner Galeristen und Videokunstexperten Bernhard Bischoff kuratierte Ausstellung war Anlass für die Anfrage aus Karlsruhe. Wir bekommen plötzlich viele Angebote, unsere Sammlung zu präsentieren, an der Art Karlsruhe gefielen uns die besonders schönen Räume und die Nähe zum ZKM.
 
Was wird zu sehen sein, und wie wird die Sammlung präsentiert?
G.K: Wir werden auf 150 Quadratmetern einen Ausschnitt der vorigen Ausstellung zeigen, eine sehr dichte Präsentation mit sechs teils runden Projektionen und 15 Monitoren. Bernhard Bischoff, der auch diesmal die Auswahl getroffen hat, legt den Fokus auf „Looping Memories“: kurze Loops, die sich in einer nicht narrativen und nicht dokumentarischen Weise mit Erinnerung befassen und der Wahrnehmung zwischen Traum und Wirklichkeit. Dazu zählen etwa die herumfliegenden „Bubblecars“ der Künstlergemeinschaft „collectif_fact“ oder Brigitte Ziegers scheinbar historische Tapetenprojektion, aus der eine Figur heraustritt und auf den Betrachter schießt.
 
Gibt es so etwas wie ein Thema oder einen „kleinsten gemeinsamen Nenner“ in der Sammlung?
G.K.: Wir orientieren uns an einem Prinzip von Boris Groys: das bewegte Bild und der bewegte Betrachter. Der Mensch soll frei in einen Dialog mit dem Video treten, genau wie bei einem Bild oder einer Skulptur. Das gilt auch für die Präsentation: Spricht einen das Video an, kann man die zwei bis drei Minuten aufbringen und es anschauen. Gefällt es einem nicht, geht man weiter. Auf einer Leinwand sieht man auch umso mehr, je länger man sie betrachtet.
 
In der Temporären Kunsthalle in Berlin ist für die aktuelle Ausstellung ein Autokino entstanden. Wie finden Sie die Idee?
C.E.K.: Schrecklich!
 
Warum?
C.E.K.:Beim Betrachten von Kunst an seinen Sitz gefesselt zu sein ist das Gegenteil von dem, was wir wollen.
 
Heute hat in der westlichen Welt fast jeder eine Kamera und findet über Internetportale wie YouTube ein globales Publikum. Ist das Entstehen einer interessanten Medienarbeit dadurch leichter oder schwerer geworden?
G.K.: Durch YouTube haben wir die Amateurarbeiten und „Ups, die Pannenshow“ im Hause. Das erfüllt sicher einen Zweck in der Gesellschaft. Unabhängig davon muss Kunst wie schon immer zuerst lokal und dann in einem weiteren Kreis ihre Bewährungsprobe bestehen. Nur maximal zehn Prozent von dem, was entsteht, wird für die Kunstgeschichte relevant sein.
 
Die Technik entwickelt sich rasant, inzwischen kann man mit ein paar Mausklicks die projizierten Werke an der Wand wechseln. Gehört der digitalen Kunst die Zukunft?
G.K.: Sie erweitert lediglich die künstlerischen Möglichkeiten, sonst nichts. Es ist und bleibt eine Technik wie die Skulptur oder das Ölgemälde. Aber ihren Platz in der Kunst wird sie behaupten.
 
Art Karlsruhe: 4.-7. März 2010, www.art-karlsruhe.de