Statements aus Museen und Ausstellungshäusern

Was bringt das Kulturgutschutzgesetz?

Das geplante Kulturgutschutzgesetz verunsichert den Kunstbetrieb. Was sagen die Leiter der deutscher Museen und Ausstellungshäuser zu dem umstrittenen Entwurf? Eine Umfrage

Hilke Wagner, Direktorin Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden:
"Als direkt Betroffene bedauern wir den Verlust der Leihgaben sehr. Baselitz’ Entscheidung ist ein Zeichen, wie stark die Verunsicherung ist. Es ist im Übrigen natürlich sein Recht, Leihgaben zurückzunehmen; die Leihverträge beinhalten selbstverständlich eine Rückgabeverpflichtung seitens der Leihnehmer. Obgleich er gemäß des Vertrages nicht dazu verpflichtet wäre, trägt Herr Baselitz die Transportkosten selbst. Eins wird aus den Diskussionen und hastigen Entscheidungen klar: Der Novellenentwurf muss sorgfältig geprüft und diskutiert werden, nüchtern und besonnen. Dabei sollten auch die Museen gehört werden. Vor Aktionismus und Panikmache sollten sich alle Seiten jedenfalls hüten."

Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerische Staatsgemäldesammlungen:
"Natürlich begrüßen wir,  dass ein Gesetz erlassen wird, mit dem der Schutz nationalen Kulturgutes sichergestellt wird. Bislang sind nur Fragmente der geplanten Gesetzesnovelle über einen Zeitungsartikel der Öffentlichkeit bekannt geworden. Diese Bruchstücke bieten noch keine Grundlage für eine ausgewogene inhaltliche Diskussion.
Ich kann einen Ausverkauf national wertvollen Kulturgutes derzeit nicht konstatieren. Der Frage, ob ein solcher Ausverkauf mit dem neuen Gesetz gestoppt werden kann, möchte ich die Frage voranstellen, was wir als nationales Kulturgut definieren wollen. Dass ein so herausragendes und einzigartiges Gemälde wie die vor 500 Jahren gemalte Schutzmantelmadonna von Hans Holbein dank der Erwerbung durch die Sammlung Würth im Land bleiben konnte, ist zweifellos ein Glücksfall für die deutsche Kulturlandschaft. Eine umsichtige Regelung für Spitzenstücke ist zweifellos zu begrüßen.
Alle weiteren Erörterungen sind müßig, solange der Gesetzentwurf nicht veröffentlicht ist. Künstlern, Sammlern und allen Beteiligten wünsche ich Gelassenheit in der Diskussion, die ja erst begonnen hat. So bedauern wir außerordentlich den angekündigten Abzug von fünf Dauerleihgaben des Künstlers Georg Baselitz. Es gibt einen Leihvertrag mit ihm, der selbstverständlich kündbar ist. Das geplante Gesetzt hätte ja nicht automatisch den Abzug von Kunstwerken durch Sammler oder Künstler zur Folge. Die Rücknahme der Werke kann geschehen, wenn sich die Leihgeber in ihrem Freiheitsbegriff beschnitten fühlen. Tatsächlich besteht etwa im Falle Baselitz eine im Laufe einer Generation aufgebaute Zusammenarbeit. Die Sammlung wuchs von Null auf 32 Werke. Diese stabile Basis  konnte dank früherer Erwerbungen durch den Staat, dank der Ankäufe des Freundeskreises PIN., dank der hochkarätigen Sammlung des Wittelsbacher Ausgleichsfonds und der Sammlung Michael und Eleonore Stoffel sowie durch großzügige Schenkungen des Künstlers selbst verwirklicht werden. Wir hoffen, dass die Gesetzesnovelle so formuliert wird, dass die bisherige Sammlungsarbeit dadurch gestärkt wird."

Yilmaz Dziewior, Direktor Museum Ludwig, Köln:
"Grundsätzlich halte ich Frau Grütters für eine hervorragende Staatsministerin für Kultur und Medien. Aus meiner Sicht ist ihr Vorgehen absolut transparent und sie hat es bisher immer gut verstanden, die einzelnen Akteure zu involvieren. Die Aufregung über die geplante Gesetzesänderung kann ich dagegen nur bedingt nachvollziehen, noch viel weniger die Panikmache, die zurzeit in den deutschen Medien befeuert wird. Vor allem auch in Anbetracht dessen, dass der eigentliche Gesetzesentwurf noch gar nicht vorliegt. Frau Grütters hat schon zu Beginn verlautbaren lassen, dass sie ihn ins Netz und zur Diskussion stellt, sobald er fertig ist. Es gibt jedoch sicherlich bereits jetzt schon Paragraphen darin, die es kritisch zu hinterfragen gilt – wie die Relativierung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung. Auch darüber, ob der Schutz schon bei 150.00 Euro beginnt und schon bei einem Alter des Werkes von 50 Jahren beginnt, sollte aus meiner Sicht diskutiert werden.
Dass aber mit diesem Gesetz öffentliche Sammlungen unter Kulturschutz gestellt werden, wird doch hoffentlich von niemanden wirklich kritisiert?!
Auch wenn dies vielleicht nicht von Frau Grütters beabsichtigt war, so trägt die aktuelle Debatte vielleicht dazu bei, das Verhältnis der Museen zu den Privatsammlern zu klären. Es kann meiner Meinung nach nicht angehen, dass beispielsweise Privatsammler Kunstwerke an Museen leihen, diese von der Institution restauriert, erforscht und publiziert werden, und dass die Werke dann nach zehn Jahren, in denen die Arbeiten auch durch die Präsentation im Museum sowohl an symbolischen Kapital wie auch an ökonomischen Wert gewonnen haben, von den Sammlern verkauft werden. Und dann müssen die Sammler noch nicht mal mehr die reguläre Steuer hierfür entrichten.
Vielleicht trennt die aktuelle Debatte ja auch die Spreu vom Weizen im breiten Feld der Sammler: Leihgeber, die sofort die Arbeiten abziehen und verkaufen wollen und Leihgeber, die wirklich das Museum unterstützen.
Meine Erfahrung in Köln ist, dass die Sammlerinnen und Sammler, mit denen ich zu tun habe, äußerst seriös mit ihren Kunstwerken umgehen. Allerdings ist das Museum Ludwig in der glücklichen Situation, so gut wie keine Leihgaben, sondern lediglich Schenkungen von Privatsammlern zu nehmen, da wir vorrangig unsere exzeptionelle Sammlung und nicht geliehene Werke zeigen wollen. Uns berührt also die Debatte eher peripher. Eine Ausnahme bilden unsere großen Partner, wie die Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig, die Freunde des Wallraf-Richartz-Museum und des Museum Ludwig und natürlich vor allem die Ludwig Stiftung. Dass diese wirklich beeindruckenden Unterstützer unseres Museums an einem Verkauf von Kunst nicht interessiert sind, versteht sich von selbst.
Es wäre wünschenswert, wenn das Gesetz neben dem Schutz der Museumssammlungen auch einen positiven Effekt auf die absurden Preisspiralen auf dem Kunstmarkt hat. Vielleicht geht es dann ja wieder mehr um Inhalte als um Zahlen."

Roland Nachtigäller, Künstlerischer Direktor Marta Herford:
"Ja, ich halte es für sinnvoll, dass das Gesetz zum Kulturgutschutz überarbeitet wird. Als wir Museumsdirektoren unsere großen Bedenken gegen den Verkauf der beiden Warhol-Gemälde aus der Aachener Spielbank bekundeten, haben viele nicht verstanden, warum man sich über diese Maßnahme so echauffieren kann. Wir haben schon damals, ganz zu Beginn der Debatte darauf hingewiesen, dass dies von großer Signalwirkung sein und eine Lawine neuer Diskussionen und Entscheidungen nach sich ziehen wird. Mittlerweile brauchen wir nicht mehr nur die Stichworte 'Portigon' oder 'WDR' zu nennen, sondern wir können zahlreiche Beispiele zitieren, wo sich Kommunen und Politiker den Wert einzelner Sammlungsbestände eruieren lassen, um ähnliche Verkaufsschritte vorzubereiten.
Insofern begrüße ich Monika Grütters’ Initiative – die ja im Übrigen auch eine Anpassung an EU-Recht ist. Wie die geplanten Regelungen im Einzelnen zu werten sind, bedarf sicherlich noch einer genaueren Prüfung, aber als Signal gegen die neoliberale Umdeutung der Kunst(welt) einzig als globalen Spekulationsmarkt ist es ein wichtiger Schritt. Auch wenn Kunst und Handel von Anfang an zusammen gehörten, so ging es immer auch um das kulturelles Gedächtnis und Identität, um Mäzenatentum aus gesellschaftlicher Verantwortung heraus und darum, in den Museen bedeutende Werke dauerhaft und endgültig dem Markt zu entziehen. Dass Künstler wie Georg Baselitz – bemerkenswerterweise einmütig mit einigen Sammlern und Erben – ankündigen, ihre Dauerleihgaben abzuziehen, enthüllt doch nur das eigentliche Gesicht dieser 'Wohltätigkeiten'. Die Werke wurde eben nicht allein deshalb den Museen zur Verfügung gestellt, um Sammlungslücken zu schließen und Werkkomplexe umfänglich zu präsentieren, sondern weil die Ausstellungshäuser (auch) als wohlfeile Durchlauferhitzer gesehen werden, um mit etwas längerem Atem gute Spekulationsgewinne einzufahren. Das aber war nie die Aufgabe der Museen, und auch wenn es bereits anders lautende Stimmen (und Praktiken?) gibt, ist es richtig, dass sie an diesem Markt nicht aktiv beteiligt sind.
Wenn wir also zu befürchten haben, dass einzelne Akteure ihre Bestände aus den Museen abziehen, dann ist es vielleicht auch an der Zeit, über das grundsätzliche Verhältnis zu diesen Sammlern/Künstlern nachzudenken. Es ist noch gar nicht so lange her, da bedeutete eine private Dauerleihgabe wertvoller Werke den ersten Schritt zur Schenkung oder zu einem generösen Überlassungsangebot. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass die Gesetzesnovelle so dramatische Konsequenzen haben wird, wie jetzt die Aufgeregten suggerieren. Aber dass der Kunsthandel mit teils höchst unpassender Wortwahl derart schäumt, zeigt auch, dass da ein Nerv getroffen wurde: Da wagt doch tatsächlich jemand, in der Prärie klare Grenzen zu markieren. Etwas mehr Kontrolle bei Ein- und Ausfuhren, bei Taxierungen und Echtheitsprüfungen, bei reiner Spekulation wie bei engagiertem Mäzenatentum kann aber nur von Vorteil sein – eine Beruhigung vielleicht, die am Ende allen Beteiligten zugutekommt.
Und noch ein Hinweis sei erlaubt: Die Öffentlichkeit erwartet stärker denn je aufsehenerregende Sonderausstellungen und Einzelpräsentationen. Wenn wir hier allein den Markt regieren lassen, so werden Versicherungssummen und Transportauflagen in Kürze dazu führen, dass man Schauen mit hochkarätigen Werken gerade noch in Dubai oder Hongkong besuchen kann. Für die Sammlung Marta haben wir uns schon länger darauf verlegt, entweder wichtige Werke von Künstler zu erwerben, die am Auktionsmarkt noch keine Rolle spielen, oder aber bei einigen 'großen Namen' auf ein langjährig aufgebautes persönliches Vertrauensverhältnis zu setzen."

Friedrich Meschede, Leiter der Kunsthalle Bielefeld:
"Die Kunsthalle Bielefeld war immer darauf bedacht, keine einzelnen Leihgaben dauerhaft anzunehmen, anders ausgedrückt, was sich im Hause befindet gehört zur Sammlung der Kunsthalle. Die eine Dauerleihgabe mit mehreren Werken, die wir sehr pflegen, sehe ich nicht bedroht. Das Gesetz, so es käme, kommt zu spät. Ein kulturhistorischer Ausverkauf hat schon stattgefunden, zum Beispiel Sammlung Lauffs, einst Krefeld, dann die Warhols. Es erscheint  logisch, dass ein Hauptkritiker (siehe 'Tagesspiegel')  den Verkauf der Warhols anwaltlich betreut hat. Ich sehe auch keinen Gewinn für die Museen in Zukunft, denn die meisten Kollegen können mit und ohne Gesetz für ihre Sammlungen kaum etwas erwerben, städtische Ankaufetats existieren schon seit Jahren nicht mehr. Öffentliche Fördermittel unterliegen starken Auflagen von Eigenanteilen, vorzeitigen Maßnahmenbeginn etc. Alles Begrenzungen, die schnelles Handeln niemals ermöglichen. Die Kulturstiftung der Länder arbeitet hervorragend, sie bewahrt 'deutsches' Kulturgut und sollte gegebenerfalls mit mehr Kompetenzen und flexiblen Mitteln für schnelles Handeln ausgestattet werden. Für die Kunsthalle Bielefeld erwerben wir mit den Mitgliedern und deren Mitteln der Förderkreises, selten aus dem Handel, niemals auf Auktionen."

Christoph Grunenberg, Direktor der Kunsthalle Bremen:
"Das Gesetz zum Schutz von national wertvollen Kulturgut ist an sich nicht neu. Im Prinzip begrüßen wir den selektiven Schutz national bedeutsamen Kulturguts. Allerdings sollte es sich in der Tat um herausragende Werke handeln beziehungsweise um Werke, deren Sammlungs- oder Rezeptionsgeschichte nationale Bedeutung hat. Dies kann immer nur auf eine kleine Zahl von ausgewählten Kunstwerken zutreffen. In der Kunsthalle Bremen handelt es sich dabei gegenwärtig um weniger als 30 Werke. Von einem pauschalen Schutz aller Werke in öffentlichen Sammlungen, wenn dieser in der Tat vorgeschlagen wird, halten wir nichts. Für die Kunsthalle Bremen würde sich auch die Frage stellen, ob das Haus, das sich noch immer in privater Trägerschaft  befindet, in die Kategorie einer öffentlichen Sammlung fiele?
Vornehmliche Aufgabe des Gesetztes sollte sein, außergewöhnliche Werke vor einem Verkauf aus einer öffentlichen Sammlung bzw. vor dem Verkauf in das Ausland zu schützen. Ein gutes Beispiel ist das Werk von Vincent van Gogh 'Mohnfeld' von 1889, das sowohl kunsthistorisch als Gemälde hoch einzuschätzen ist, als frühe Erwerbung in der Sammlungsgeschichte der Kunsthalle Bremen einen hervorragenden Platz einnimmt und an dem sich exemplarisch 1911 der Streit um den Wert des französischen Nachimpressionismus und die moderne Kunst entfachte.
Mit einem Kulturgutschutzgesetz ließe sich meiner Meinung nach den Exzessen des Marktes kaum beikommen. Dazu ist der Kunstmarkt zu komplex und global verzahnt. Selbst wenn bedeutende Werke auf deutschen Auktionen verkauft würden, wären sie in den meisten Fällen für deutsche Museen unerschwinglich. Die enge Zusammenarbeit mit Sammlern wird aus diesem Grund immer wichtiger. Dazu gehören auch Dauerleihgaben, die die Sammlung bereichern, und die – im Idealfall – als Geschenke an die Museen gehen. Die Beziehung zwischen Institutionen und Privatsammlern sollte eine von gegenseitigem Respekt, Offenheit und Vertrauen sein. Die wenigsten dieser Dauerleihgaben fallen unter die heutige Definition des national wertvollen Kulturguts, und eine übertriebene bürokratische Datensammelwut würde wenig zu dem bereits komplizierten Beziehungsgeflecht zwischen Museum, Sammler und Handel beitragen.
Ein Zwang zu Ausfuhrgenehmigungen von bedeutenden Werken, die mehr als 50 Jahre alt sind, besteht in der Tat schon in einigen EU-Ländern (zum Beispiel Großbritannien, das in den letzten Jahrzehnten besonders unter dem Abfluss bedeutender Kunstwerke gelitten hat). Er würde wahrscheinlich einen beträchtlichen bürokratischen Aufwand für Leihgeber, Leihnehmer und Verwaltung bedeuten."

Lesen Sie zum Thema auch ein Interview mit Rein Wolfs, Intendant der Bundeskunsthalle in Bonn