"Marienbad" Ein Film als Kunstwerk

Was geschah um Himmels willen

In der Kunsthalle Bremen wird die Kunst cineastisch

Sind sie sich vor einem Jahr in Marienbad schon einmal begegnet oder nicht? Ein Mann und eine Frau treffen in einem schlossartigen Luxushotel aufeinander, und ihre Gespräche drehen sich fast nur um diese eine Frage. Alain Resnais’ "Letztes Jahr in Marienbad" nach dem gleichnamigen Nouveau Roman von Alain Robbe-Grillet gehört zu den Klassikern des Nouvelle-Vague-Kinos. Bildende Künstler, Fotografen, Modemacher, aber auch Musikvideoproduzenten lassen sich immer wieder von der unterkühlten Atmosphäre des Schwarz-Weiß-Films von 1961 inspirieren und von seinem verwirrenden Spiel mit Echtzeit, erinnerter Zeit, Traum, Illusion, realen und imaginierten Räumen.

In der Gruppenausstellung "Letztes Jahr in Marienbad. Ein Film als Kunstwerk" in der Kunsthalle Bremen agiert etwa Rodney Graham in einem riesigen Leuchtkasten-Diptychon als barock gewandeter Kameramann vor einer artifiziellen Schlossparkkulisse. Und Vanessa Beecroft ließ für ihr Video "VB 51" elegant gekleidete Modelle in einem Prachtsaal mehrere Stunden stillstehen. Jüngere Künstler wie Fort und Marie Harnett haben eigens für die Ausstellung neue Arbeiten produziert. Spannend ist die Offenlegung der Inspirationsquellen: Hochkarätige Werke der Surrealisten René Magritte und Paul Delvaux, aber auch von Giorgio de Chirico oder Alberto Giacometti zeigen, wie das Hauptmotiv des Films, die einsame Figur in überästhetisierter Architektur oder Parklandschaft, bereits in der Malerei und Skulptur der Moderne vorformuliert wurde.

Was die klug zusammengestellte Bremer Schau schließlich auch für Cineasten attraktiv macht, sind die vielen Originaldokumente: Auszüge aus dem Drehbuch, Setfotografien, Drehpläne, Szenenanweisungen und Plakate. Eine entscheidende Frage aber lässt die Ausstellung offen: Haben sich die beiden Protagonisten nun letztes Jahr in Marienbad getroffen oder nicht?