Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Eröffnungen der Woche: Tipps für Berlin, Derneburg, Frankfurt, Köln, Lieberose, München, Ravensburg und Rostock

Originalmanuskript von Franz Kafkas "Prozess" und "Limits of Knowing" in Berlin
"Franz Kafka. Der ganze Prozess" - unter diesem Titel ist in Berlin das Originalmanuskript des berühmten, aber unvollendet gebliebenen Romans zu sehen. In eigens gefertigten Vitrinen, vor Licht und Luft geschützt, zeigt der Martin-Gropius-Bau jetzt die 171 eng beschriebenen Seiten, die Eingang in die Weltliteratur fanden und zu den meistübersetzten Büchern der deutschen Literaturgeschichte gehören. Anstoß für den Roman war im Kriegsjahr 1914 die als traumatisch erlebte Trennung Kafkas von seiner Verlobten Felice Bauer. Sie fand im damaligen Hotel Askanischer Hof statt - direkt gegenüber dem heutigen Gropius-Bau. "Für uns ist es eine große Freude, so nahe am Ort des ersten Funkensprungs dieses Manuskript ausstellen zu dürfen", sagte Ulrich Raulff, Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Sein Haus hatte das Manuskript 1988 mit Hilfe von Spenden und öffentlichen Geldern für die damalige Rekordsumme von 3,5 Millionen Mark ersteigert. Das Manuskript ist zusammen mit Erläuterungen, der Verfilmung von Orson Welles und Fotografien aus der Sammlung Klaus Wagenbach zu sehen. Am Freitagabend eröffnet außerdem das interdisziplinäre Programm "Limits of Knowing" im Gropius-Bau. In einer Ausstellung und Talks werden bis zum 31. Juli skeptizistische künstlerische Positionen zwischen Kunst und Wissenschaft vorgestellt. Mit "Haptic Field (V2.0)" von Chris Salter + Tez ist beispielsweise eine multisensorische Installation zu begehen, die mit den Sinneseindrücken der Besucher spielt. In einen mit vibrierenden Aktoren ausgestatteten Overall und eine Brille gekleidet bewegt sich der Besucher durch abgedunkelte Räume, in denen verschiedene Lichter aufflackern. Durch die verschleierte Sicht der Brille und das Vibrieren der Kleidung verschiebt sich dabei der Fokus vom Sehsinn auf die eigene Körperwahrnehmung und Position im Raum. "Limits of Knowing" ist Teil der Programmreihe "Immersion", in deren Rahmen Werke präsentiert werden, die im Grenzbereich zwischen Ausstellung und Aufführung liegen. (dpa/monopol)
"Franz Kafka. Der ganze Prozess", Martin-Gropius-Bau, Berlin, bis 28. August
"Limits of Knowing", Martin-Gropius-Bau, Berlin, bis 1. bis 31. Juli, Eröffnung: Freitag, 30. Juni, 19 Uhr

Kerstin Honeit in Berlin
Im IBB-Videoraum der Berlinischen Galerie werden über den Zeitraum eines Jahres zwölf Künstler präsentiert, die auf innovative Weise mit den Medien Film und Video umgehen. Seit Mittwoch sind drei Videos der Berliner Künstlerin Kerstin Honeit zu sehen. Honeit setzt sich in ihren Arbeiten mit gesellschaftlichen Normen, genderpolitischen Fragestellungen und Machtstrukturen auseinander. Dabei steht oft die Frage im Mittelpunkt, wie hegemoniale Bildwelten in den Medien inszeniert werden. Sie beschäftigt sich mit der Technik der Filmsynchronisation, die in Deutschland eine lange Tradition hat, sowie des lip syncing, bei der die Lippen zu einem gesprochenen Text bewegt werden, um so den Zusammenhang von Körper und Stimme, das Erschaffen von Figuren, Stereotypen und Identitäten zu untersuchen. In "Talking Business" (2014) beispielsweise lässt Honeit die zwei Synchronsprecherinnen Ursula Heyer und Gisela Fritsch nach 30 Jahren wieder aufeinandertreffen. Beide hatten ihre Stimme den Charakteren Krystle Carrington and Alexis Carrington Colby der in den 1980er-Jahren bekannten Fernsehserie "Dynasty" ("Der Denver-Clan") geliehen. In der Arbeit untersucht Honeit das Spannungsfeld zwischen Stimme und Verkörperung, weiblichem Selbstbild und (medialer) Repräsentation.
Kerstin Honeit, IBB-Videoraum in der Berlinischen Galerie, bis 24. Juli

"Acht Tage Marzahn" in Berlin
Im Berliner Stadtteil Marzahn startet das Kunstfestival "Acht Tage Marzahn", an dem 24 Künstler reilnehmen und 30 Veranstaltungen stattfinden: Hochhauskonzerte, geführte Radtouren, Open-Air-Kino, Performances im öffentlichen Raum, Künstlergespräche, exklusive Skywalk-Führungen, eine Sammlungsvorstellung, eine Lesung und nicht zuletzt Vernissage am 1. Juli auf dem Victor-Klemperer-Platz. Mit dabei sind Anne Arlt, Tobias Donat, Lars Hübner, Wiebke Köplin, Eric Winkler und Christina Wüstenhagen.
"Acht Tage Marzahn", 1. bis 8. Juli

Ausstellung zu Ehren von Barbara Weiss in Derneburg
"Für Barbara" heißt die Ausstellung, die ab dem 1. Juli im niedersächsischen Schloss Derneburg an die verstorbene Galeristin Barbara Weiss erinnert. Kuratiert hat sie der in New York lebende Galerist Leo König. Mit der Ausstellung will er vor allem Weiss' Eintreten für Künstlerinnen würdigen – eine schöne Pointe, denn im Schloss Derneburg, das jetzt dem Hedgefonds-Manager Andy Hall gehört, residierte früher Maler-Macho Georg Baselitz.
"Für Barbara", Schloss Derneburg, ab 1. Juli

"Peace"-Ausstellung in Frankfurt
Zwei Menschen mit langen Haaren in einem Bett, sie singen "Give Peace a Chance" – so sah die Ehe zwischen Frieden und Kunst vor 50 Jahren aus. Und jetzt? Brauchen wir neue Bilder, meint die Schirn Kunsthalle Frankfurt. Als Erstes startete sie einen Wettbewerb für ein neues Peace-Logo. Der Gewinnerentwurf zeigt einen schlichten blauen Punkt. Interessanterweise wurde er zweimal identisch eingereicht, nämlich von Bekata Ozdikmen aus der Türkei und Paul Müller aus Deutschland. In der Ausstellung dazu erforschen zeitgenössische Künstler das, was die Grundlage einer jeden Form von Frieden ist: wie Menschen und auch Nicht-Menschen – Flora, Fauna, die Erde – in Frieden zusammenleben. Man sieht: Ohne eine zweite kopernikanische Wende, die den Menschen aus dem Zentrum des Denkens katapultiert und das Verhältnis zum Rest der Schöpfung neu denkt, ist Frieden nicht zu machen. Und deswegen finden in der Ausstellung auch einige Künstler ihren Platz, die mit politischem Aktivismus auf den ersten Blick so gar nichts, mit einer postdigitalen Änderung des Bewusstseins aber umso mehr zu tun haben. Katja Novitskova zum Beispiel, die ein JPEG vom Mutterplaneten Erde als Aufsteller produziert hat und dazu eine etwas gruselige Skulptur aus einer elektrischen Babyschaukelmaschine stellt: "Pattern of Activation (planetary bonds)" heißt die Arbeit von 2015, die Maschine auf Natur treffen und den Menschen dabei kaum mehr mitspielen lässt. Auch in den makellos glatten Installationen und Bildern von Timur Si-Qin erscheint die Natur wie die Erfindung einer Werbeagentur. Echte Beziehungsarbeit leistet dagegen die Künstlerin und Choreografin Isabel Lewis, die bei ihren "Occasions" genannten Performanceveranstaltungen das Publikum mit Pflanzendeko und kalten Getränken in eine möglichst entspannte Rezeptionshaltung versetzt und dann mit einer Mischung aus philosophischer Plauderei, DJing und Tanz die Freude am Austausch und gemeinsamen Denken vermittelt. In diesem Setting der Generosität findet dann sogar der Misanthrop Michel Houellebecq seinen Ort, der in einem Video seinen – leider verstorbenen – Hund als seine einzige wahre Liebe vorstellt. Friede seiner Asche.
"Peace", Schirn Kunsthalle Frankfurt, 1. Juli bis 24. September, im Rahmen der Ausstellung findet am 1. und 2. Juli das "Peace Weekend" statt

Jeremy Deller in Köln
Von Sonntag an findet in der Deutzer Brücke in Köln zum 23. Mal die Klangkunstveranstaltung "Brückenmusik" statt. Für die diesjährige Ausgabe hat der britische Künstler und Turner-Preisträger Jeremy Deller eine raumbezogene Klang- und Videoinstallation mit dem Titel "Send Echolocation Sounds to Dub Reggae Producers" geschaffen. Die Arbeit basiert auf Dellers 2012 in Texas gedrehten 3D-Kurzfilm "Exodus", der einen abendlichen Ausflug einer Kolonie von über zehn Millionen Fledermäusen aus ihrer Höhle dokumentiert. Die von Ultraschall-Mikrofonen hörbar gemachten Laute des Schwarms dienen dabei als beeindruckender Soundtrack. Dellers Bestreben ist es, wichtige kulturelle und politische Ereignisse mit künstlerischen Mitteln festzuhalten. Bekannt wurde der britische Künstler für seine monumentale Neuinszenierung eines Bergarbeiterstreiks, für die Skulptur Projekte in Münster arbeitete er mit Laubenpiepern zusammen, und anlässlich der Manifesta 5 organisierte er eine Parade durch Donostia-San Sebastián. 2004 ist er mit einer Video-Dokumentation über Texas mit dem renommierten Turner-Preis ausgezeichnet worden.
"Brückenmusik 23", Deutzer Brücke, Köln, 2. bis 9. Juli

"Rohkunstbau" in Lieberose
Ab Samstag findet in Lieberose, unweit der polnischen Grenze im brandenburgischen Spreewald, die 23. Ausgabe der jährlichen Ausstellungsreihe "Rohkunstbau" statt. Zu sehen sind Arbeiten von elf internationalen Künstlern. Als Ort für eine Ausstellung zur Auseinandersetzung mit dem Fremden bildet das Schloss Lieberose, ehemals im Besitz des deutschen Adelsgeschlechts Schulenburg, einen perfekten Rahmen. "Die Schönheit im Anderen". so lautet der Titel, findet man, indem man das verlassene Gebäude auf eigenen Wegen erkundet. Die Räume sind staubig, Putzreste blättern von den Wänden. Anders als in sterilen weißen Museumsräumen heben sich einige Kunstwerke in ihrer teilweise sehr feinen Ausarbeitung von ihrer Umgebung ab. Andere fügen sich ein, sind genauso wenig poliert wie die sie umgebenden Räume. Künstler verschiedener Nationalitäten, aus Iran, Dänemark, Norwegen, Portugal oder Japan, erzählen ihre persönlichen Geschichten, diskutieren ihre Wurzeln und individuellen Erlebnisse. Dabei stehen selbstreflexive Fragen im Vordergrund: "Wie definiere ich mich über andere?" oder "Welche Vergangenheit habe ich?" Symbolisch und physisch bekommt der Besucher immer wieder einen Spiegel vorgehalten. "I have never seen a refugee camp", lautet ein leuchtender Schriftzug, der seine Umgebung in ein atmosphärisches Rot taucht. Die portugiesische Künstlerin Tatiana Macedo vergegenwärtigt uns die Macht der medialen Bilder. Ein Highlight der Ausstellung sind zwei raumfüllende Skulpturen des japanischen Künstlers Toshihiko Mitsuya. Er visualisiert die Vorstellung vom "Fremden" mit überlebensgroßen Pferden und Reitern aus Aluminiumfolie.
Rohkunstbau, "Die Schönheit im Anderen", 1. Juli bis 10. September, Schloss Lieberose, Spreewald

Schau zur Pop-Art in München
Das Konterfei von Marilyn Monroe, auf goldenem runden Grund: In Anlehnung an die mittelalterliche Malerei hat einst Andy Warhol (1928-1987) der Schauspielerin ein Denkmal gesetzt. Von diesem Freitag an zeigt das Museum Brandhorst in München Werke des Künstlers und stellt sie Ausstellungsstücken unter anderem von Jeff Koons und Keith Haring gegenüber. Die Schau "Pop Pictures People" soll die Relevanz und das Nachwirken der Pop-Art von den 1960er Jahren bis in die Gegenwart zeigen, teilten die Veranstalter mit. Unter den rund 60 Exponaten seien auch Neuerwerbungen. Dazu zählen Werke von Michel Auder, der das exzentrische Warhol-Umfeld in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren mit seiner Kamera begleitete. Dabei habe er "eine unprätentiöse Hommage an die Freiheit der Pop-Lebensentwürfe geschaffen", heißt es beim Museum. Als roten Faden haben die Verantwortlichen die Spannung zwischen der freien Kraft der abstrakten Kunst und den Motiven oberflächlicher visueller Kultur ausgemacht. Deutlich werde das am Titel der Papierarbeit "Beating with a Baseball Bat" von Bruce Nauman: "Kunst soll einen wie ein Baseballschlag in den Nacken treffen", hieß es. (dpa)
"Pop Pictures People", Museum Brandhorst, München, bis 8. April

"We love Animals" in Ravensburg
Lieben wir Tiere wirklich (alle)? Und kann man den Genuss eines Schweineschnitzels noch als "Tierliebe" charakterisieren? Angeregt von Asger Jorns Gemälde "Eine Cobra Gruppe" (1964), Teil der Sammlung des Kunstmuseums Ravensburg, nimmt die dortige Ausstellung aus kulturwissenschaftlicher Perspektive die Mensch-Tier-Beziehung in vier Jahrhunderten in den Blick. Das älteste Werk ist Albrecht Dürers "Rhinozeros", aus dem 20. Jahrhundert sind Joseph Beuys, Valie Export oder Birgit Jürgenssen vertreten. Die jüngsten Werke stehen unter dem Stichwort "animal turn", dem Dialog der Spezies' auf Augenhöhe. So haben Krõõt Juurak und Alex Bailey unter dem Label "Performances for Pets" Aufführungen speziell für Haustiere entwickelt.
"We love Animals", Kunstmuseum Ravensburg, 1. Juli bis 15. Oktober, Eröffnung: Freitag, 30. Juni, 19 Uhr

Wolfgang Mattheuer in Rostock
In der Kunsthalle Rostock ist von Samstag an eine Ausstellung mit Werken von Wolfgang Mattheuer (1927–2004) zu sehen. Die Werkschau vereint mehr als 80 Gemälde des Künstlers. Unter dem Titel "Bilder als Botschaft" liege der Fokus der Ausstellung auf den gleichnishaften, metaphorischen Bildern Mattheuers, für die er bekannt geworden ist, sagte Kunsthallenchef Jörg-Uwe Neumann. Mattheuer habe in seinen Gemälden Fragen zum Zustand der Gesellschaft gestellt, wie etwa zum Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft mit dem berühmten Bild "Die Ausgezeichnete" aus dem Jahr 1974. Es hing zu DDR-Zeiten im Palast der Republik. (dpa)
"Bilder als Botschaft", Kunsthalle Rostock, 2. Juli bis 17. September, Eröffnung: Samstag, 1. Juli, 18 Uhr