Manchester International Festival

Wohin marschiert Performancekunst?

Lädt man sich Jeremy Deller ein, kann man sicher sein, der macht was los: Bekannt wurde der britische Künstler für seine monumentale Neuinszenierung eines Bergarbeiterstreiks, zu den „skulptur projekten“ 2007 in Münster gärtnerte er gemeinsam mit Laubenpiepern, und anlässlich der Manifesta 5 organisierte er eine Parade durch Donostia-San Sebastián. In dieser Woche nun lässt der Turner-Prize-Träger zur Eröffnung des Manchester International Festivals Einwohner zur Prozession antreten.
 
Mehr ein Karnevalszug als eine Parade, soll sie sich am 5. Juli auf der Deansgate, der Hauptstraße der nordbritischen Stadt, in Bewegung setzen. „Eine gute Prozession ist schon für sich genommen ein öffentliches Kunstwerk: halb Selbstporträt, halb alternative Wirklichkeit“, sagt Deller im Vorfeld. Wenn alles gut gehe, so der Künstler, werde dieses Ereignis an die großen Tage des sozialen Surrealismus erinnern.
 
Beim Manchester International Festival wird es indes nicht nur um die Tradition, sondern auch um die Zukunft von Performancekunst gehen. Die Künstlerin Marina Abramović illustriert den Schwerpunktwechsel, der in den vergangenen Jahre stattgefunden hat, gern mit einer Anekdote. Ein jüngerer Kollege habe ihr kürzlich von seiner Aktion auf der Chinesischen Mauer berichtet – Dauer: drei Minuten. Etwa drei Monate hätten sie und ihr Partner Ulay hingegen 1988 für „The Lovers – The Great Wall Walk“ gebraucht, als sie an den Enden ebendieser Mauer starteten und wanderten, bis sie sich in der Mitte trafen, um danach privat und künstlerisch getrennte Wege zu gehen.
 
Für das Manchester International Festival hat Abramović nun zusammen mit Hans-Ulrich Obrist eine Aktion kuratiert, die die Idee, Gegenwart sei am besten durch Intensität und Länge zu erleben, wieder in den Vordergrund stellt. Zwischen dem 3. und 19. Juli wird das Publikum jeweils vier Stunden mit insgesamt 14 Performern verbringen. Um sich auf diese Erfahrung einlassen zu können, schließt es einen bindenden Vertrag ab und wird von Abramović in Meditationen „reprogrammiert“. Zu den vertretenen Live-Artists gehört – neben Konzeptkünstlern wie Jordan Wolfson und namhaften Abramović-Schülern wie Amanda Coogan – auch Weltrekordhalter Tehching Hsieh. In einer seiner Aktionen setzte er sich zum Ziel, Kunst zu produzieren, dabei aber in der Branche unsichtbar zu bleiben. Dauer: 13 Jahre.
 

Manchester International Festival, 3. bis 19. Juli