Bildband "New Spaces for New Work"

Wohlfühlort und Abenteuerspielplatz

Wie die Arbeitsumgebung einen Menschen formt, war vor Kurzem bei Kai Diekmann zu beobachten. Von seinem Kreativurlaub in Palo Alto im Silicon Valley kam der einst so gestriegelte „Bild“-Chef bärtig, mit Wuschelkopf, Kapuzenpulli und einigen Kilo mehr zurück. Was ihn beeinflusst haben mag, zeigt jetzt ein schöner Bildband von Gestalten, der die modernsten Büros des 21. Jahrhunderts porträtiert – vom bescheidenen Start-up bis zur massiven Zentrale eines Milliardenkonzerns.

Schon der Autofabrikant Henry Ford wusste, dass Menschen im Job effizienter sind, wenn sie sich mit ihren Produkten identifizieren. Und im Dienstleistungszeitalter, wo die Produkte den Hirnen (und Herzen) der Beschäftigten entspringen, gilt ganz besonders: Nur glückliche Mitarbeiter machen auch den Unternehmer glücklich. Deshalb bekommen sie, was sie physisch und psychisch zum Arbeiten brauchen: Finanzbeamte ein laufendes Radio, Werber einen Kicker, Hacker ein Sofa zum Fläzen. Und deshalb wirken die kalifornischen Zentralen von Google, Facebook und anderen Internetriesen heute wie Abenteuerspielplätze für junge Erwachsene. Überall Chill-out-Ecken, Schaukelstühle und coole Besprechungsräume, die aussehen wie aus dem Designkatalog.
 
Doch man muss nicht nach Palo Alto fahren, um Alternativen zur alten nine-to-five-Einrichtung zu finden. Auch in Stuttgart, Waldorf und Delft hat sich der Gedanke des Wohlfühlbüros mittlerweile durchgesetzt. Während einige Betriebe auf Heimatgefühl oder Spaßgeräte setzen, wollen andere eher den Eindruck von Luxus und Exklusivität erzeugen. Schließlich ist das Bürodesign auch Teil der Markenbildung. Gemein jedoch ist allen in dem Buch vorgestellten Projekten, dass zwischen Beruflichem und Privatem kaum mehr unterschieden wird. Die neue Google-Niederlassung in London ist eine lange Folge von individuell eingerichteten Wohnzimmern, auf deren Dachterrassen die Mitarbeiter ihr eigenes Gemüse anbauen. Das Dtac House in Bangkok bietet neben Tischtennisplatten, Bandübungs- und Massageräumen auch eine Turnhalle mit 400-Meter-Bahn. Und die Londoner Firma Nottingdale hat sich sogar ein gigantisches Kettenkarussell in die Vorhalle gestellt.

Mit dieser Verlagerung von Freizeitaktivitäten an den Arbeitsplatz verbindet sich wohl die auch Hoffnung, die Verfechter des Leben-statt-Karriere-Modells wieder ins Büro zu locken. Und noch einen entscheidenden Vorteil hat das Arbeiten in der Komfortzone für die Konzerne: Keiner verlässt sie früher als nötig. 

Sofia Borges, Sven Ehmann, Robert Klanten: "WorkScape. New Spaces For New Work". Auf Englisch. Gestalten, 256 Seiten, 39,90 Euro

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 09/2013. Sie können das Heft hier bestellen.