Rupprecht Geiger

Zum Tod des Malers Rupprecht Geiger

Ein Mann sieht Rot: So könnte man Leben und Werk von Rupprecht Geiger umschreiben, der am 6. Dezember im Alter von 101 Jahren in seiner Heimatstadt München gestorben ist. Rot, in allen möglichen Schattierungen, war sein Lebenselixier, seine Stimulanz, sein Narkotikum. „Schau in die glutrot untergehende Sonne“, hat er gesagt, „sie gibt dir Kraft für den nächsten Tag“.

 

Geiger malte in Rot, Orange oder Pink pulsierende Kreise, Ovale, Quadrate. Wobei „Rot“ für ihn eine gewaltige Skala vom hellsten Gelb bis in tiefes Violett abdeckte. Oft hat der Künstler, der zu den herausragenden abstrakten Malern der Nachkriegszeit zählt, das mal strahlende, mal schwebende Rot auch über die ganze Leinwand ausgebreitet.

 

Wenn es heißt, dass der am 26. Januar 1908 geborene Maler „Autodidakt“ war, ist das nur die halbe Wahrheit – er war von klein auf in der Kunstwelt zu Hause. Sein Vater Willi Geiger war Schüler von Franz von Stuck und angesehener Kunstmaler in München. Gemeinsame Reisen brachten schon den 15-jährigen Rupprecht Geiger nach Spanien und Marokko, dort prägte sich die Intensität des mediterranen Lichts bleibend ein. In der NS-Zeit wurde der Vater als „entartet“ diffamiert, der Sohn – eigentlich ausgebildeter Architekt – wurde als „Kriegsmaler“ an die Ostfront geschickt. Einschneidendes Erlebnis: der endlose Himmel über Russland.

 

Als Auslöser für die Erforschung des Archipels Rot, die ihm von der unmittelbaren Nachkriegszeit an zur Lebensaufgabe wurde, nannte Geiger den Lippenstift aus einem Care-Paket für seine Frau. Mit dem zweckentfremdeten Stift zog der Maler eine Leuchtspur durch ein abstraktes Bild. An die Münchner Akademie wurde der Mitbegründer der Gruppe „ZEN 49“ nie berufen. Zwischen 1965 und 1975 lehrte er stattdessen an der Kunstakademie Düsseldorf, neben Kollegen wie Joseph Beuys und Gerhard Richter.

 

Zu den Glanzlichtern seiner großen, wenn auch stillen Malerkarriere gehören vier Documenta-Beteiligungen 1959, 1964, 1968 und 1977. Hatte der Ankauf eines Geiger-Gemäldes durch das Münchner Lenbachhaus – gegen Widerstände im Stadtrat – in den 70er- Jahren noch für einen Eklat gesorgt, löste die Geiger-Retrospektive „Rot macht High“ anlässlich seines 100. Geburtstags, die bis März 2008 im Lenbachhaus gezeigt wurde, helle Begeisterung aus. Für die Besucher kam die Schau wohl wirklich einem Blick in die untergehende Sonne gleich.