Eduardo Arroyo im Interview

„Der Maler ist ein einsamer Mensch“

Eduardo Arroyo ist Maler, Schriftsteller, Vollblut-Europäer, ironisch und poppig greift er sich die großen Themen der Kunstgeschichte, Literatur und Religion - und erfährt herausragende Ehren. Am Sonntag feierte er seinen 75. Geburtstag

Herr Arroyo, Glückwunsch, im Juli werden Ihre Werke im Museo del Prado in Madrid in einem eigenen Raum gezeigt. Sie sind damit einer der ganz wenigen lebenden Künstler, dem diese Ehre zuteil wird. Was wird es zu sehen geben?
Meine Version des „Mystischen Lammes“ von Jan van Eycks Genter Altar. Ich habe sie auf exakt die gleichen Maße wie die Originaltafeln gezeichnet: 3,75 mal 5,20 Meter, mit Kreide auf Papier. Seit drei Jahren arbeite ich daran. 1995 habe ich eine Kopie von Rembrandts Version, die in Berlin hängt, in Öl gemalt. Es wurde schon in Frankreich und in Barcelona gezeigt. Als ich dann aber in Gent war und den Flügelaltar von Van Eyck sah, war ich von dem prachtvollen Retabel so sehr beeindruckt, dass ich beschloss, es zu malen.

Was genau fasziniert Sie so daran?
Es ist eine veritable „göttliche Komödie“, ein Welttheater, das die Zeiten überspannt, in dem sich verschiedene Wirklichkeiten vermischen.

Sie lieben die Reduktion theatralischer Gesten und haben immer wieder Bühnenbilder für das Theater entworfen, mit Klaus Michael Grüber an der Berliner Schaubühne etwa. Und Sie schreiben. Welcher Teil ihrer Arbeit ist Ihnen der wichtigste?
Die Malerei. Aber ich habe vor kurzem einen Führer über das Prado-Museum geschrieben. Er ist auf Spanisch und noch nicht ins Deutsche oder Französische übersetzt. Ein Buch über einen Besuch im Prado.

Eines Ihrer zentralen Themen beim Malen war der Boxkampf. Warum ausgerechnet?
Boxen ist ein Ereignis, bei dem man das Ergebnis nicht kennt. Der Maler ist ein einsamer Mensch. Der Boxer ist ein einsamer Mensch. Der Ring ist ein weißes Viereck, markiert mit Blut und Schweiß, wo sich das Drama abspielt.

Neben Malerei und Zeichnung benutzen Sie häufig das Mittel der Collage. Warum?
Der Aspekt des Seriellen interessiert mich daran und das Fragmentarische, Zerstückelte. Verschiedene Stile zu verbinden und zu vermischen. Diese Inkohärenz macht ja auch die Kohärenz meines Werkes aus.  

Wie fühlen Sie sich mit 75 Jahren?
So wie immer. Ich male, ich schreibe, ich male, ich mache andere Sachen. Im Moment spielt die Literatur eine sehr große Rolle. Ich mache eine Ausstellung in Paris, in der Galerie Carré, und habe dazu einen Essay geschrieben, der Titel lautet: „La lutte de Jacob avec l’ange“ (Jakobs Kampf mit dem Engel), über diese biblische Parabel aus der Genesis. Ich arbeite zurzeit an dem Gemälde.

Nach Delacroix?
Nach seinem Fresco in der Kirche Saint-Sulpice in Paris. Auch Rembrandt, Gauguin und viele Maler ließen sich von dieser Legende fesseln.

Ab März ist auch eine Werkschau mit Ihren Arbeiten von 1975 bis 2011 in der Galerie Levy in Hamburg zu sehen.
Ich arbeite viel. Ich mache immer weiter, habe nie aufgehört. Ich bin sehr froh, dass ich seit langem wieder in Deutschland ausstelle. Das ist auch wichtig für mich, dahin zurückzukehren, da ich viel in Deutschland gearbeitet habe, am Theater, und Bücher publiziert habe.

Während des Franco-Regimes gingen Sie ins Exil nach Paris. Sie haben damals in Ihren Arbeiten mit ironischen Seitenhieben auf Ihr Heimatland reagiert. Wie sehen Sie die Situation heute?
Das ist vierzig Jahre her. Jetzt lebe ich in Paris und in Madrid. Ich bin europäischer Bürger, Spanien, Deutschland, Frankreich, das ist alles gleich. Das Problem gibt es nicht mehr. Zum Glück.

Woher kommt der Humor in Ihren Bildern?
Ich bin ein Produkt der Komödie und der Dramen. Ich hoffe, diese Selbstironie nicht zu verlieren.

Ausstellung in der Galerie Levy, Hamburg: 20. März bis 1. Mai 2012. Im Kerber Verlag erscheint ein Katalog