Nan Goldin in Berlin

„Die besten Jahre meines Lebens“

Nein, „Ich bin eine Berlinerin“ hat sie nicht gesagt. Aber ein Bekenntnis legte sie doch ab: „Die besten Jahre meines Lebens waren die in Berlin.“ Nan Goldin, große alte Dame der subjektiven Szene-Fotografie, war in die Stadt gekommen, um einen bislang weitgehend unbekannten Teil ihrer künstlerischen Biographie vorzustellen: ihre in Berlin entstandenen Bilder seit den 80er Jahren. Dreiviertel der gezeigten Fotografien werden bei der Schau in der Berlinischen Galerie erstmals veröffentlicht.

Erst eine Woche vorher hatte Goldin sich bei einem Unfall die Nase gebrochen, so bat Direktor Thomas Köhler die große Journalistenschar bei der Pressekonferenz am Freitag erst einmal um Nachsicht mit der Künstlerin – doch sie gab dann doch bereitwillig Auskunft.

Goldins Berlin-Geschichte beginnt 1984, als sie auf Einladung von Alf Bold nach Berlin kommt, um in dessen Kino Arsenal ihre Dia-Show „The Ballad of Sexual Dependency“ zu zeigen, die ihren Rang in der Fotografiegeschichte begründete. Danach war sie immer wieder sporadisch in der Stadt, bis sie 1991 ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) bekam. „Ich war für ein Jahr eingeladen und blieb für vier. Ich war wirklich glücklich, was eine echte Rarität in meinem Leben ist.“
 
Vom Foto-Ghetto in die Kunstwelt
Das Unglück in ihrem Leben ist in der Schau durchaus auch vertreten – das berühmte Bild, wo sie, von ihrem Freund verprügelt, mit blaugeschlagenen Augen in die Kamera schaut, ist in Berlin entstanden. Doch ansonsten finden sich zahlreiche geradezu liebevolle Aufnahmen ihrer Berliner „Familie“, darunter die Mitglieder der Band Die Tödliche Doris mit der Künstlerin Käthe Kruse, Blixa Bargeld, der Schauspieler Clemens Schick und verschiedene Freundinnen Goldins. Durch das DAAD-Stipendium habe sie weitere Kontakte bekommen, berichtete Goldin: „Der Berlin-Aufenthalt bedeutete für mich der Schritt vom Foto-Ghetto in die Kunstwelt.“
 
Berlin in den 80er-Jahren sei eine Insel für einen bestimmten Stamm von Leuten gewesen, die Deutschland verlassen wollten, sagte Goldin – genauso wie New York für Amerikaner, die sich vom restlichen Amerika distanzierten. Heute sei das anders: der Rest Deutschlands sei nach Berlin gekommen. Das heutige Berlin ist für Goldin eine fremde Stadt geworden: „Wenn ich heute hier hinkomme, dann ist das, als komme man in eine Heimatstadt zurück, in der man sich nicht mehr zurechtfindet“, sagte sie.

Trauer und Verlust spielen immer noch eine Rolle
Goldin lebt mittlerweile in Paris, reist viel und fotografiert anders als früher: „Meine Themen heute sind eher Landschaften, Bewusstseinszustände.“ Sie lasse sich von der surrealistischen Fotografie der 30er-Jahre inspirieren, die sie in Paris kennen gelernt habe und mache auch Collagen. Aufgrund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit einem Verlag hat sie lange keine Bücher veröffentlicht; doch sobald das gelöst sei, habe sie fünf neue Publikationen in Vorbereitung, sagte Goldin.

Auf die Frage, ob sie, deren frühere Fotografie oft von Trauer und Wut handelte, weicher geworden wäre, sagte sie, Trauer und Verlust spiele immer noch eine große Rolle für sie, schließlich sei noch immer ein großer Teil ihres Umfeldes von Aids betroffen. Aber eine gewisse Weichheit schloss sie nicht aus: „Du wirst alt, du hast eine Katze, was will man sagen?“

In Paris gefalle es ihr nicht besonders, erzählte sie, und spekulierte, dass sie vielleicht irgendwann nach Berlin zurückkehren wolle. Die Serie der "Berlin Works" ist jedenfalls nicht beendet.

"Nan Goldin. Berlin Work": Bis 28. März 2011