Liam Gillick im Interview

„Mode ist keine Monokultur"

Mister Gillick, Sie wurden in Buckinghamshire nördlich von London geboren. Worin besteht Ihre Verbindung zur Marke Pringle of Scotland?
Das Biografische ist an dieser Stelle nicht so wichtig. Jedem, der in Großbritannien aufwächst, ist Pringle ein Begriff. Man weiß, dass die Marke aus Schottland kommt, aber das hat nicht so viel zu sagen. Was mich an dem Unternehmen interessiert, ist, dass es in seiner Geschichte Kunden aus verschiedenen sozialen Schichten angesprochen hat. Pringle war nie nur für die Oberklasse.

Für Pringle haben Sie eine Kollektion von Taschen, Accessoires und Strickmode entworfen, die ab Dezember erhältlich sein wird. Was hat Sie inspiriert?

Nichts. Ich hatte keine Vorbilder für das Design. Mich interessiert die Produktion, die Arbeit, die dahinter steht. Es gibt hinter meiner Kollektion nichts Narratives: Ich will weder eine Geschichte erzählen, noch meine künstlerischen Ideen in Konsumobjekte übersetzen. Es geht mir eher darum, etwas über Technologie herauszufinden, darüber, wie Dinge funktionieren. Außerdem wollte ich einige der Theorien, die ich in den letzten Jahren über Produktion und Arbeit aufgestellt habe, in der Praxis testen. Dieses Thema hat mich auch in meinen Kunstwerken immer wieder beschäftigt.

Also ist es für Sie gar nicht so wichtig, wie das Objekt, das Sie gestalten, am Ende aussieht?
Doch, alles hängt vom Look ab! Aber der entsteht für mich nicht durch Inspiration, sondern durch Arbeit. Dahinter steckt konzeptuelles Denken. Mich interessieren die Produktionsstrukturen der Modewelt und ihre technischen Möglichkeiten. Aber Branding wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Deswegen gibt es auch keine Logos, keinen Schriftzug, keine Marke auf den Stücken aus meiner Kollektion. Ich will, dass meine Produkte von Leuten benutzt werden, die sich nicht sonderlich um die Kunstwelt oder mich als Künstler kümmern. In der Vergangenheit hat es viele Kollaborationen im Bereich Kunst und Mode gegeben, bei denen es offensichtlich darum ging, ein Kunstwerk mit sich herumzutragen, das zufälligerweise eine Tasche war. Mein Fall ist das genaue Gegenteil: In erster Linie kaufen die Kunden eine Tasche und kein Kunstwerk.

Am vergangenen Montag hat Pringle bei der Londoner Fashion Week seine Frühlings- und Sommerkollektion für Damen vorgestellt. Für die Show haben Sie eine Intervention kreiert. Wie muss man sich das vorstellen?
In den letzten Jahren habe ich an „Construction of One“ gearbeitet, einem langen Buch über die Ethik der Produktion. Jetzt stehe ich kurz vor der Veröffentlichung. Mit willkürlich gewählten Ausschnitten aus meinem Text wurden die Zuschauerbänke beschriftet. Die Intervention ist also unter den Besuchern verschwunden, als die Show auf dem Laufsteg begann, und am Ende wieder aufgetaucht. Dieser Effekt war mir wichtig. Außerdem war es interessant für mich, meinen Text außerhalb des üblichen Kunstkontextes, etwa in einer Galerie, zu sehen.

2010 haben Sie bereits mit dem Modelabel Clemens en August zusammengearbeitet und eine Edition von Herrenschuhen designt. Was interessiert Sie an Mode?
Viele moralische und ethische Fragen der Produktion und Globalisierung lassen sich anhand von Mode gut sichtbar machen: Wie zum Beispiel wird einem Erzeugnis sein Wert zugewiesen? Mich fasziniert auch die Geschwindigkeit, mit der die Modebranche vom Prototyp zur Massenproduktion übergeht. Den gleichen Prozess könnte man natürlich auch bei Automobilherstellern betrachten, aber es würde viel länger dauern. Weil die Mode so viele Themen vereint, die mich interessieren, bin ich zu einem Beobachter ihrer Facetten geworden. Denn Mode ist keine Monokultur! Nehmen wir meine beiden Kollaborationen als Beispiel: Im letzten Jahr habe ich mit einer traditionsreichen Schuhmanufaktur in Wien zusammengearbeitet, die sich seit ihrer Gründung wenig verändert hat. Auch „Pringle“ hat eine lange Geschichte, aber in diesem Unternehmen bewegt sich unheimlich viel.

Werden wir noch mehr Mode von Ihnen sehen?
Nein, definitiv nicht. Auch wenn mich die Geschichte des Kunsthandwerks sehr interessiert. Manche Dinge kann man für kurze Zeit machen, dann muss man sie hinter sich lassen. Man findet heraus, was man wissen wollte, und dann reicht es.

Sie haben jetzt also alles über Mode herausgefunden, was Sie interessiert hat?

Noch nicht. Ich bin gerade dabei. Aber die Produktion ist erst einmal abgeschlossen. Ich bin nicht der Typ, der sich für die Aura der Dinge oder ähnliche Phänomene interessiert. Ihre physische Präsenz ist für mich das Essentielle – ganz einfach.