Pantha du Prince im Interview

„Vieles in der Kunstszene ist festgefahren“

Wie ist es zu der Reihe „Kunst als Klang“ gekommen?
Der Galerist Bruno Brunett wollte mit mir seit längerer Zeit etwas für die Galerie Vittorio Manalese umsetzen. Also habe ich eine Liste von mir wichtigen Musikern zusammengestellt, die meiner Ansicht nach zwischen Entertainment, Hörkultur und Performance anzusiedeln sind. Sounds, die im Club eine andere Dimension annehmen als in einer Galerie, aber dennoch ein transzendierendes Potential in sich tragen. Ohne dass sich gezwungenermaßen tanzende Körper aneinander reiben müssen.

Kunst und Club unterscheiden aber wesentlich.
Die kapitalen Infrastrukturen, so würde ich sagen, sind in beiden Bereich erst einmal die selben. Der wirkliche Unterschied ist der Moment des gemeinsamen Erlebnisses. Vor einem Werk hat man diesen Moment mit sich alleine. Wohingegen im Club viele Faktoren dazukommen, wie Atmosphäre, Konstellation des Publikums. Wenn man aber an die 70er- und 80er-Jahre in New York denkt, dann stellt man fest, dass wir heute in unglaublich konservativen Zeiten leben, gerade was die Kunstszene anbetrifft. Sie ignoriert gewissermaßen alles, was um sie herum passiert. Offiziell existieren beide Formen – Kunst und Club – nicht gemeinsam. Carsten Nicolai hat das mit seinem Label Raster Noton in einem sehr präzise abgesteckten Rahmen umgesetzt. Ebenso der diskursive Ansatz des Labels Mille Plateaux. Das Gefühl von gegenseitiger Befruchtung habe ich lange nicht empfunden. Mir ist es wichtig aufzuzeigen, dass es Verbindungen gibt.

Ist das Ihrerseits eine Kritik am Kunstbusiness?
Da gibt es für mich eine große Lücke. Vieles ist in der Kunstszene festgefahren. Es ist ein Turbomarkt geworden, als ginge es darum, Tomaten zu verkaufen. Gerade nach dem Crash herrscht überall diese Unsicherheit, man bewegt sich zu den sichereren, aber auch traditionelleren Gefilden zurück. Die weiterhin so populäre Malerei bleibt die Konstante, auf die man sich verlassen kann. Die Kunst hat meiner Meinung nach aber eine Aufgabe, und der muss man auch gerecht werden. Stattdessen geht es um Codes und Hoheitsgebiete. Ich fände es schön, wenn man das aufweichen könnte. Dass bei „Kunst als Klang“ auch so arrivierte Musiker wie NSI, Moritz von Oswald und Faust auftreten, hat damit zu tun, dass ich einen Rahmen spannen möchte, der die potentiellen Verknüpfungspunkte von Kunst und Musik auch historisch betrachtet und wieder deutlich macht. Ich möchte das als eine zu füllende Leerstelle mit weichen Zäunen verstehen.

Wie werden die Abende aussehen? Von einer klassischen Klanginstallation kann man bei dem Line-up nicht ausgehen.
Es wird hauptsächlich Performances wie bei einem typischen Konzertabend geben, wobei die schon einen gewissen Installationscharakter haben sollen. Es werden zudem visuelle Elemente eine wichtige Rolle spielen. Es geht mir um eine Art begehbare Erlebniswelt, vielleicht lässt sich das Ganze im Nachhinein als eine Installation verstehen. Die auftretenden Künstler werden teils einmalige Sachen performen, Auftritte, die man in einem normalen Clubabend nicht sehen würde. Moritz von Oswalds und Rashad Beckers „Single Note Project“ wird zum Beispiel einen Flügel als zentralen Bestandteil haben.

Es gab zuletzt viele Techno-Künstler, etwa Carl Craig, Herbert, Moritz von Oswald, die sich vermehrt der E-Musik zuwandten. Hat Sie der Club als Handlungsspielraum gelangweilt?
Das hat mit der Dosis zu tun. Gelangweilt hat mich der Club aber nie. Die demokratische Struktur in den Clubs, der Herzschlag durch den Beat, sämtliche Erzählungen, die man darauf aufbauend stattfinden lassen kann – all das ergibt Möglichkeiten, die es in keiner Galerie geben kann. Diese Bewegung von Energie im Raum existiert bei Ausstellungen ja nicht. Jetzt ist meiner Ansicht nach der Punkt gekommen, das auch mal anders präsentieren zu können. Auch mit einer Drastik und Präzision, die sonst im Rausch des Clubs vielleicht untergehen könnte.

Die Feuilletons haben diesen Sommer geschrieben: War in den 90ern der DJ Traumberuf des jungen Kreativen, ist heute der Kurator geworden.
Die Diskussion ist doch gänzlich überholt. Ich sehe da aber auch keine Verschiebung. Ein Konzerterlebnis bleibt ein Konzerterlebnis. Wobei das Visuelle natürlich eine immer wichtigere Rolle einnimmt in unserer Gesellschaft. Der Kurator war immer der, der Kunst zusammengestellt hat, und der DJ bleibt der, der sich mit Musik auseinandersetzt. Vielmehr wünsche ich mir, dass das gegenseitige Wissen mehr verknüpft wird. Bei wie vielen Künstlern speist sich deren Arbeit aus Musik, aus dem Ausgehen, aus dem Erlebnis. Bei wie vielen Produzenten ist die Kunst ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. Wenn man sagt, dass der Kurator wie ein DJ einen perfekten Mix zusammenstellt, um eine große Erzählung zu schaffen, die mehr ausstrahlt als ihre Einzelteile, dann muss man aber auch sagen, dass das von Beginn an die Aufgabe des Kuratierens gewesen sein sollte. Die Idee selbst ist doch nicht neu.

„Kunst als Klang“ findet am 20., 26. und 29. September in der Berliner Galerie Vittorio Manalese statt. Das komplette Programm finden Sie auf der Seite der Galerie