Syrische Künstler finden neue Heimat

Kunst im Stall

Beirut (dpa) - Die aus Stein gemauerten grauen Gewölbe des Stalls in den Bergen sind ein ungewöhnlicher Zufluchtsort. Aber für junge syrische Künstler wird der Stall in Aley östlich der libanesischen Hauptstadt Beirut vorübergehend zur Heimat und Inspiration. Ihre Kunst spiegelt das Leid ihrer Landsleute wider.

Dass das noch vor wenigen Jahren verfallene Gebäude in Aley heute so heimelig wirkt, ist vor allem der Verdienst von Raghad Mardini. Die syrische Zivilingenieurin und ihre Kinder sind seit dem Jahr 2008 im Libanon. 2011 begann sie das 200 Jahre alte Gebäude von Grund auf zu renovieren. Sie behielt den rauen Charme der Stallungen bei, aber modernisierte das Gebäude und verwandelte es in ein gemütliches Heim mit Garten.

Als sie ein Jahr später mit der Arbeit fertig war, waren viele ihrer Künstlerfreunde schon auf der Flucht. Der Aufstand gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad hatte sie vertrieben, nach Jordanien, in die Türkei und auch in den Libanon. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge sind mehr als 9 Millionen Syrer auf der Flucht. Das sind 40 Prozent der Bevölkerung.

Die Idee, den ehemaligen Stall in die «Kunstresidenz Aley» zu verwandeln, hatte sie, nachdem sie einem aus Syrien geflüchteten Freund Unterschlupf gewährte. «Um Kunst zu schaffen, braucht man eine Atmosphäre, in der man sich wohlfühlt», sagt sie. «Ich dachte, ich habe den Platz. Alles was ich tun musste war, diesen jungen syrischen Künstlern Raum zu geben, um ihre Kunst zu produzieren und ihre Gefühle zu zeigen - das Leid genauso wie die Hoffnung.»

Mardini lädt junge Künstler im Alter zwischen 20 und 30 Jahren ein, zwei Wochen in Aley zu leben und zu arbeiten. Am Ende ihres Aufenthalts lassen die Künstler mindestens ein Werk zurück. Damit will Mardini ein Museum für zeitgenössische syrische Kunst aufbauen.

Viele Kunstschaffende hätten wegen des emotionalen Traumas aufgehört zu arbeiten, erzählt Mardini. Für sie sei es nun wichtig, den Künstlern moralische Unterstützung und ein angenehmes Arbeitsumfeld zu bieten, damit sie wieder Interesse an ihrer Arbeit entwickeln.

Die meisten Werke in Aley drücken Wut, Enttäuschung, Rebellion und Trauer aus: Milad al-Ameen etwa quälen die vielen Opfer der Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen. Er stammt aus der nordsyrischen Provinz Aleppo. In seinen Bildern malt er Leichen, Tote jung und alt. Er verarbeitet auch das Leid der Überlebenden, die Gardinen verwenden müssen, weil es keine Leichentücher mehr für die vielen Toten gibt.

Auch der 24-jährige Mohammed Labbasch hat Bilder zurückgelassen, in denen schwarze Linien und grausame Szenen dominieren. Er musste aus der Stadt Daraa flüchten. Dort hatte der Aufstand 2011 seinen Anfang genommen.

Sie wolle die Ruhe, die die Umgebung in Aley ausstrahle, in sich aufsaugen, sagt die Künstlerin Iman Hasbani. Nach ihrem Aufenthalt in der Kunstresidenz will sie nach Syrien zurückkehren und Kunstunterricht für vertriebene Kinder in der Nähe von Damaskus anbieten. «Für diese Kinder ist das Therapie. Wir unterrichten Kunst, damit sie sich besser selbst ausdrücken können und ihrer Angst, Freude oder ihrem Frust Luft machen können», erklärt Hasbani.