Die Kunst des Kopierens in Karlsruhe

Talent leiht, Genie stiehlt

Auf YouTube kann Florian Freier dabei beobachtet werden, wie er Andreas Gurskys „Bahrain I“ kopiert. Er ruft Google Earth auf, zoomt die Formel-1-Strecke des arabischen Königreichs heran, macht Screenshots und bearbeitet sie so, dass das Ergebnis wie Gurskys Fotografie aussieht. Seinen Print und die Videodokumentation nennt Freier „In the Eye of God – Recreating Andreas Gursky (Google Earth Remix)“ und beansprucht Urheberrecht darauf. Ein Fall für die Staatsanwaltschaft?

Für die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe ein klarer Fall fürs Museum. Denn Freiers Werk zeigt exemplarisch, wie Künstler die durch das Internet allgegenwärtig gewordene Technik des copy and paste anwenden. Unter dem Titel „Déjà-vu? Die Kunst der Wiederholung von Dürer bis YouTube“ untersucht die Schau die wechselnde Akzeptanz des Kopierens über die Jahrhunderte. Freiers YouTube-Film trifft auf eine minutiöse Jackson-Pollock-Nachzeichnung von Klaus Mosettig, Marcel Duchamps „Boîte-en-valise“ (Schachtel im Koffer) auf „Erzherzog Leopold Wilhelm in seiner Brüsseler Galerie“ von David Teniers dem Jüngeren. Denkwürdige Parallelen ergeben sich auch zwischen Lucas Cranach dem Älteren und Jonathan Monk, deren Arbeiten unter ähnlichen Bedingungen entstanden. Wie Cranach ließ Monk seine Auftragsporträts in einer Werkstatt erstellen, wobei die fünf großen Maos, die in Karlsruhe hängen, sogar Kopien in doppeltem Sinne sind. Monk wies seine chinesischen Assistenten an, die berühmten „Mao“-Bilder von Andy Warhol nachzuahmen – allerdings mit dem Pinsel, nicht mit Siebdruckschablonen. Was die Gemälde fast schon wieder zu Originalen macht.

Der neueste Dreh lässt sich abermals auf YouTube (und auf Flickr) verfolgen. Kunststudenten inszenieren dort Caravaggios „Grablegung Christi“ mit Plüschtieren, Iris Braga spielt Aktionen von Marina Abramovic nach, und Karina Segantini verbindet Arbeiten von Valie Export, Paul McCarthy und Hermann Nitsch zu einem Performanceremix. Präziser kann eine Ausstellung den Zeitgeist wohl kaum treffen. Nur was das alles fürs Urheberrecht bedeutet, bleibt ungewiss.

Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 21. April bis 5. August, Eröffnung: 20. April um 19 Uhr