Frau Schor, wie sind Sie auf die Cattelan-Arbeit aufmerksam
geworden?
Der Nachlass von Birgit Jürgenssen ist im Internet zufällig
auf die Seite des Fotografen Pierpaolo Ferrari gestoßen. Er hat Cattelans
Arbeit für das Magazin „Tar“ fotografiert und dieses Foto auf seine Homepage
gestellt. Ich war mehr als erstaunt, als ich das Bild sah: Die ganze Darstellung,
selbst das Fell im Hintergrund und die Strumpfhose der Frau, sogar der Titel „Nest“ ist der Gleiche wie bei Birgit Jürgenssen.
Das ist kein Zitat, keine Anspielung – das ist eindeutig ein Plagiat.
Haben Sie Cattelan darauf angesprochen?
Ich habe ihn in einer Email auf Jürgenssens Arbeit
aufmerksam gemacht. Er hat prompt geantwortet – und alles abgestritten. Er
bedankte sich, dass ich seine Aufmerksamkeit auf diese, Zitat, „Episode“
gelenkt habe, eine für ihn „völlig überraschende“ Nachricht. Im Übrigen sei
schon der bloße Verdacht, er habe sich bewusst bei einem anderen Künstler
bedient, „eine Beleidigung, die ich nicht ertragen kann.“ Ich habe ihm dann
geantwortet, dass ich ihm mit Vergnügen meine Monografie von Jürgenssen
schicken würde – damit er auch ihr übriges Werk kennenlernt. Gerne, schrieb er
zurück, aber ich möge das Buch doch bitte an seine Galerie adressieren, er sei
momentan sehr viel auf Reisen.
Er weist die Vorwürfe also zurück?
Nach außen streitet Cattelan alles ab. Aber andererseits hat
er dafür gesorgt, dass der Fotograf Ferrari das Bild von seiner Homepage nimmt.
Das kann man schon als klares Schuldeingeständnis werten.
Er scheint das sehr gern zu machen. Cattelan soll ein Werk
von Francesca Woodman kopiert haben – eine weitere bereits verstorbene
Künstlerin. Und auch Vanessa Beecroft hat ihm Ideenklau vorgeworfen. Es gibt kulturell
scheinbar zwei verschiedene Haltungen gegenüber dem Vorgang des Kopierens. Wenn
man einem Chinesen einen solchen Diebstahl vorwirft, würde er sagen: "Ja, das
stimmt, das Werk hat mir so gut gefallen, und außerdem kopiere ich nur das
Beste." Offenbar haben die Italiener nicht die Größe, das einzugestehen.
Einen Prozess wollen wir nicht anstreben. Obwohl das Werk
sich seit fünf Jahren in unserer Sammlung befindet und zuletzt in unserer
"DONNA"-Schau der Feministischen Avantgarde in der Galleria nazionale d’arte
moderna in Rom ausgestellt wurde. Uns geht es um eine Richtigstellung in der
Öffentlichkeit – und wir würden uns natürlich freuen, wenn das Magazin „Tar“ in
seiner nächsten Ausgabe auf diese Sache eingeht.